Wahlkampf der Grünen : Mit voller Kraft? Nein danke!
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Ratlosigkeit in der Parteispitze: Was haben die Grünen für das Wahljahr 2017 geplant? Bild: EPA
Die Grünen stehen zu Beginn des Wahljahres schlecht da. Triviale Debatten und Konzeptlosigkeit zum aktuellen Zeitgeschehen haben die Glaubwürdigkeit der Partei angeschlagen. Gerade beim Thema innere Sicherheit herrscht Ratlosigkeit.
Es war ein verkorkster Wahlkampf. Die Grünen wollten sich als Partei der sozialen Gerechtigkeit profilieren. Sie häuften Spitzensteuersatz auf Erbschaftssteuer auf Vermögensteuer. Selbst ihrer eigenen, großteils gut verdienenden Wählerschicht hätten sie in die Tasche gegriffen. Dann kam die Debatte über einen fleischlosen Veggie Day in Kantinen und über die grüne Vergangenheit, als Pädophile in der Partei Einfluss hatten. Die Werte der Grünen, die zu Jahresbeginn bei 14 Prozent gelegen hatte, sausten in den Keller. Sie rutschten bis zum Wahltag hinab auf 8,4 Prozent. Die Grünen verpatzten die Koalitionsverhandlungen mit der Union und landeten als kleinste Fraktion auf den Oppositionsbänken im Bundestag. Das alles war 2013. Dieses Desaster sollte sich nicht wiederholen. So schwor sich die Partei.
Die Grünen haben Wort gehalten. Aber anders als gedacht. Denn vier Jahre später liegen sie zu Beginn des Wahljahrs nicht mehr bei 14, sondern bei nur noch acht Prozent. Das ist sehr nah an dem Wert, der die Stammwähler der Grünen ausmacht. Und wenn es weiter so geht, dann könnten die Grünen am Ende gar aus dem Bundestag ausscheiden. Eine andere Partei, die FDP, hat das vor vier Jahren erlebt. Manche Grüne wollten die Freidemokraten beerben. Doch dazu ist es nicht gekommen. Sicher ist: Wenn die Grünen in den kommenden Monaten in der Wählergunst nicht zulegen, dann zerplatzen all ihre Träume vom abermaligen Regieren im Bunde.
Wie konnte es so weit kommen bei einer Partei, die Anfang dieses Jahrzehnts in Umfragewerten lange zwischen 20 und 28 Prozent gelegen und gar als neue Volkspartei gegolten hatte? Dafür gibt es mehrere Gründe. Einer lautet: Die Grünen sind langweilig geworden. Selbst ihr kürzlicher Mitgliederentscheid über die Spitzenkandidaten, mit dem sie ihre basisdemokratischen Prinzipien hochhalten und die Partei in Schwung bringen wollten, reizte zum Gähnen. Die Sieger dieser „Urwahl“, Katrin Göring-Eckart und Cem Özdemir, gehören seit langem zur Führungsmannschaft. Göring-Eckart ist seit bald 20 Jahren im Bundestag, schon 2002 war sie Fraktionsvorsitzende, was sie heute wieder ist. Ihr Profil lässt sich schwer beschreiben. „Diffus-bürgerlich“ könnte hinkommen.
Starke Führung sieht anders aus
Viele in der Partei sind schon froh, wenn sie nicht wieder die sozialromantische Robin-Hood-Rolle spielt, wie sie es vor vier Jahren tat. In Göring-Eckarts damaligem Wahlkampf erschien Deutschland als eine Art Slum, das von Hartz-IV-Beziehern und armen Kindern bevölkert war. Cem Özdemir kam 1994 erstmals in den Bundestag, seit neun Jahren ist er Parteivorsitzender. Er ist der bekannteste Grüne und durchaus beliebt. Der Sohn anatolischer Einwanderer hat zuletzt etwa zur Politik Erdogans in der Türkei klare Worte gefunden. Seine Wahl ist allerdings alles andere als ein Aufbruchsignal – zu lange ist Özdemir vorne mit dabei. Der Einzige, der für einen Neubeginn stand, war Robert Habeck, der Umweltminister aus Schleswig-Holstein. Er verlor mit 75 Stimmen Abstand auf Özdemir. Immerhin ein gutes Drittel der Grünen wollte, dass ein neues Gesicht die Partei in den Wahlkampf führen sollte. Doch der Überraschungscoup gelang nicht.
Berlin : Grüne ziehen mit Özdemir und Göring-Eckardt in Bundestagswahlkampf
Nach der Urwahl war von den beiden Siegern kein Satz zu hören, der irgendwie in Erinnerung geblieben wäre. Starke Führung sieht anders aus. Das Gespann Özdemir und Göring-Eckart, die gut miteinander können, wird im Wahlkampf Habeck und dem populären Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann aus Baden-Württemberg viel Raum geben müssen, um die Grünen einigermaßen interessant zu präsentieren. Anders als 2013, als der linke Spitzenkandidat Jürgen Trittin Kretschmann keine führende Rolle im Wahlkampf gönnte, sind die neuen Frontleute bereit dazu, dem Regierungschef aus Stuttgart eine große Bühne zu geben.