Cyberschutz bei Bundestagswahl : Feuern auf allen Kanälen
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Facebook und Twitter: Social Bots können hier mit von der Partie sein. Bild: dpa
In Amerika und Frankreich wurden die Wahlen offenbar von Cyberangriffen heimgesucht. In Deutschland bereiten sich deswegen Behörden, Parteien und der Bundestagspräsident darauf vor. Wie gut kann ihnen das gelingen?
Wie bei jeder Bundestagswahl werden auch am 24. September um 18 Uhr die Wahllokale schließen. Wer seine Stimme abgeben will, der richtet seinen Tag so ein, dass er das bis zu dieser Uhrzeit hinbekommt. An Spätsommertagen mit schönem Wetter mag das für den ein oder anderen nicht so leicht sein. Man stelle sich folgende Szene vor: Da bricht ein Ehepaar nachmittags zu einer Radtour auf und schaut vorher noch einmal auf den Facebook- oder den Twitter-Account. Dort steht, dass die Wahllokale ausnahmsweise bis 20 Uhr geöffnet haben. Wer sich nicht ständig mit Bundestagswahlen und den Öffnungszeiten von Wahllokalen befasst, könnte versucht sein, das zu glauben, die Radtour etwas auszudehnen – und sich anschließend um sein Wahlrecht betrogen sehen. Durch eine Falschmeldung im Internet.
Alles nur Panikmache? Beim Bundeswahlleiter, der für den ungestörten Verlauf der Wahl verantwortlich ist, wird über vergleichbare Szenarien durchaus nachgedacht. „Sollten Falschnachrichten verbreitet werden, etwa über die Öffnungszeiten der Wahllokale, dann würden wir sofort mit Korrekturmeldungen reagieren über die uns zur Verfügung stehenden Wege“, sagt Klaus Pötzsch, der Sprecher des Bundeswahlleiters. Das seien etwa das ots-Netzwerk, die eigene Webseite oder der Kurznachrichtendienst Twitter. „Wir würden auf allen Kanälen feuern.“
Seit es weltweite Diskussionen darüber gibt, ob und in welchem Ausmaß die Präsidentenwahlen in Amerika und Frankreich durch Cyberattacken beeinflusst wurden, und je mehr der 24. September heranrückt, werden die Warnungen der Verantwortlichen in Deutschland vor unzulässigen Beeinflussungen der Bundestagswahl mit den Methoden des Internets immer deutlicher. Man rüstet sich. Schon im September vorigen Jahres hatte das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn unter Bezug auf einen Bericht des amerikanischen FBI zu Cyberaktivitäten aus Russland kurz vor der Präsidentenwahl die Parteien des Bundestages auf die Gefahr der Wahlmanipulation hingewiesen und seine Hilfe angeboten. BSI-Präsident Arne Schönbohm hatte gesagt, man habe die Dokumente des FBI und des amerikanischen Heimatschutzministeriums ausgewertet. Im Frühjahr dieses Jahres warnte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, die Hinweise auf Versuche zur Beeinflussung der Bundestagswahl verdichteten sich.
Gefahr erst bei Übermittlung ins Behördennetz
Heute, gut zwei Monate vor der Wahl, ist aus dem BSI zu erfahren, dass die Bundestagswahl den Schwerpunkt der „kontinuierlichen Lagebeobachtung“ des BSI darstelle, weil ja bekannt sei, dass auch Wahlen im Fokus solcher Angriffe stünden. Es gehe insbesondere darum, dass Informationen nicht verfälscht und IT-Systeme nicht beeinflusst würden. Zwar bedeutet das analoge Wählen mit Wahlzettel und Kugelschreiber zunächst ein hohes Maß an Sicherheit vor Verfälschungen der Daten durch Cyberattacken. Erst wenn die analog ausgezählten Ergebnisse in den Behördennetzen elektronisch verarbeitet werden, besteht überhaupt theoretisch die Gefahr von elektronischen Beeinflussungsversuchen. Da die Behördennetze auf Landes- und Bundesebene jedoch getrennt vom Internet funktionieren, ist die Möglichkeit, von außen in sie einzudringen, etwa um das Ergebnis einer Partei von 4,9 Prozent der Stimmen auf 5,0 zu heben und ihr so den Einzug in den Bundestag zu ermöglichen, nicht besonders groß.
Dennoch bereitet sich der Bundeswahlleiter auf alle Eventualitäten vor. „Sollte es Versuche geben, sich in unser Computersystem zu hacken, um die elektronische Verarbeitung der Wahlergebnisse zu stören, dann würden wir zusammen mit dem BSI alles tun, um solche Versuche abzuwehren“, sagt Klaus Pötzsch. Falls es zu Zwischenfällen kommen sollte, werden die Wege kurz sein. So wie das BSI bei den Wahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im Frühjahr Mitarbeiter nach Kiel und Düsseldorf geschickt hatte, werden diese im September am Wahltag in Berlin sein. Es gehe um Beobachtung, Beratung und schnelle Reaktionsfähigkeit, heißt es in der Bonner Behörde.