AfD-Fraktion ohne Petry : Da fehlt doch jemand!
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AfD-Spitzenkandidaten Alice Weidel und Alexander Gauland im Bundestag Bild: AFP
Die AfD-Bundestagsfraktion konstituiert sich. Eine Abgeordnete fehlt: Frauke Petry will als Fraktionslose ins Parlament einziehen. Was kann sie da überhaupt bewirken?
Als die beiden Spitzenkandidaten der AfD, Alice Weidel und Alexander Gauland, am Dienstagmorgen vor die Hauptstadtpresse treten, geben sie sich betont gut gelaunt. Doch statt über politische Inhalte oder die Strategie der neuen Fraktion zu sprechen, müssen die beiden erst einmal unliebsame Fragen zur Größe ihrer Fraktion beantworten. Schuld daran ist Frauke Petry, eine der beiden Bundesvorsitzenden der Alternative für Deutschland. Petry hatte erst am Montagmorgen, keine 24 Stunden nach der Wahl, überraschend angekündigt, der AfD-Fraktion nicht angehören zu wollen.
Weidel und Gauland antworten, sie planten nur erst einmal einen „Zählappell“ in der Fraktion. 93 Abgeordnete müssten es ohne Petry noch sein. Auf die Frage, ob er mit weiteren „Abtrünnigen“ rechne, sagt Gauland: „Ich hoffe nicht.“ Bislang seien keine entsprechenden Vorhaben bekannt. Allerdings hatte auch Petry ihren Abgang aus der Fraktion in der Bundespressekonferenz inszeniert, ohne das vorher abzusprechen. Entsprechend baff waren die Zurückgebliebenen. Nach einer guten halben Stunde gab die Fraktion bekannt: Bis auf Petry sind alle Abgeordneten erschienen.
Zunächst stehe eine Debatte über die Geschäftsordnung an, verkünden Gauland und Weidel. Weil sie wissen, dass ihre Parteifreunde ziemlich streitlustig sind, kündigen sie vorsichtshalber an, dass der Fraktionsvorstand vielleicht auch erst am Mittwoch gewählt werden wird.
Derweil stellt sich die Frage, welche Optionen Petry nach ihrem Austritt aus der Fraktion überhaupt hat. Sie habe sich diesen Schritt reiflich überlegt, sagt sie. Die Frau, die selbst den Parteigründer Bernd Lucke aus der AfD getrieben hatte, will nun als fraktionslose Abgeordnete in den Bundestag einziehen. In der ARD sprach sie davon, einen „konservativen Neuanfang“ gestalten zu wollen. Wie ihr das außerhalb der Fraktion gelingen soll, ließ Petry offen. Realistisch gesehen, bleiben ihr nicht viele Optionen.
Als fraktionslose Abgeordnete dürfte Frauke Petry ein relativ trostloses Dasein im Bundestag fristen. Laut einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1989 haben auch fraktionslose Abgeordnete zwar das Recht in einem Ausschuss mitzuarbeiten. Damit einher geht auch das Recht, Anträge im Ausschuss zu stellen. Ein Stimmrecht wird Petry dort jedoch nicht haben, sie darf lediglich im Plenum abstimmen. Dort wird Petry auch etwas abseits ihrer Fraktion sitzen, womöglich in der letzten Reihe, wie zuletzt die abtrünnige CDU-Politikerin Erika Steinbach.
Will Petry eigene Ansichten zu einem Gesetzentwurf einbringen, so kann sie (wie alle anderen Abgeordneten auch) in der zweiten Lesung im Bundestag Änderungsanträge stellen. Ihr Rederecht im Plenum ist zeitlich begrenzt und hängt auch von den Regelungen des Ältestenrats ab. Sie darf aber auch Geschäftsordnungsanträge stellen und Fragen an die Bundesregierung richten.
Nun wird darüber spekuliert, ob Petry noch ein Ass im Ärmel hat, ob also weitere AfD-Abgeordnete aus der Fraktion austreten und „überlaufen“ würden. Um eine eigene Fraktion zu gründen und die damit einhergehenden Rechte und Privilegien zu genießen, brauchte Petry jedoch mindestens fünf Prozent der gewählten Abgeordneten hinter sich. Das wären im neuen Bundestag mindestens 34. Dass sich die AfD-Fraktion in so dramatischer Weise spaltet, ist jedoch unwahrscheinlich. Eine weitere Option Petrys wäre die Bildung einer parlamentarischen Gruppe. Die hätte im Bundestag zwar nicht die Rechte einer Fraktion, verfügt aber immerhin über umfassendere Rede- und Antragsrechte als ein einzelner Abgeordneter. Hierfür würden weit weniger Mitglieder ausreichen. Ob eine Gruppe von Parlamentariern aber tatsächlich als Gruppe im Sinne der Geschäftsordnung anerkannt wird, entscheidet der Bundestag in einer Abstimmung. Die Grünen bildeten etwa von 1990 bis 1994 eine Gruppe mit nur acht Mitgliedern und bekamen damals sowohl die Möglichkeit, Mitglieder in jeden Ausschuss zu entsenden (inklusive des Ältestenrats) als auch ein grundsätzliches Rederecht im Plenum.
Petry ist nicht die erste Abgeordnete, die ihre Fraktion verlässt. Im letzten Bundestag trat Erika Steinbach aus Protest gegen die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung aus der CDU/CSU-Fraktion aus. Ein weiteres bekanntes Beispiel ist der FDP-Politiker Jürgen Möllemann, der nach verschiedenen Skandalen aus der FDP-Bundestagsfraktion ausgeschlossen wurde. Möllemann starb wenige Monate später bei einem Fallschirmsprung, vermutlich war es Selbstmord. Möllemann, alleine im Plenum abseits seiner ehemaligen Parteifreunde, wurde zum tragischen Sinnbild eines fraktionslosen Abgeordneten.
Dass man die Fraktionslosigkeit auch als große Bühne verstehen kann, bewies 1989 Thomas Wüppesahl von den Grünen. Wüppesahl war bei der Bundestagswahl 1987 über die Landesliste Schleswig-Holstein in den Bundestag eingezogen. Er trat dann aber im Mai 1987 aus der Partei aus und wurde im Januar 1988 von seiner Fraktion ausgeschlossen und aus den Ausschüssen abberufen. Dagegen wehrte Wüppesahl sich im Rahmen eines Organstreitverfahrens vor dem Bundesverfassungsgericht und bewirkte das „Wüppesahl-Urteil“, womit bis heute die Rechte der fraktionslosen Abgeordneten geregelt sind.
Genau wie ihr Vorgänger an der AfD-Spitze Bernd Lucke ist auch Frauke Petry nun aus der AfD ausgetreten. Einen Einfluss auf ihre Tätigkeit im Bundestag hat das zunächst aber nicht.