: Leserbriefe vom 29. Dezember 2020
Der britische Premierminister Boris Johnson am 24. Dezember während einer Videokonferenz mit EU-Komissionspräsidentin Ursula von der Leyen Bild: ddp/intertopics/eyevine/eyevine
Vertrag zwischen EU und London +++ Aeroxon und die Fliegenfänger +++ emotionale Roboter +++ FAZ-Leistung - Vertrauen der Leser +++ Zeitungsboten +++
Goodbye und Auf Wiedersehen
Zu den Berichten über den Vertrag zwischen EU und London: Die Einigung auf ein Handelsabkommen bewahrt beide Seiten vor dem schlimmsten No-deal-Brexit. Doch der Austritt des Vereinigten Königreichs von Großbritannien und Nordirland aus der EU ist schlecht für alle, hat aber auch etwas Gutes für die Europäische Union. 47 Jahre lang hat „UK“ vom EU-Binnenmarkt erheblich profitiert, aber bis 1986 dessen Vollendung boykottiert. Erst der Übergang vom Einstimmigkeits- zum Mehrheitsprinzip 1986 machte den größten Binnenmarkt der Welt zur Erfolgsgeschichte der EU. Auch in der Außen- und Sicherheitspolitik blockierte UK notwendige Integrationsschritte durch Beharren auf dem Vetorecht. Und jetzt wollte Boris Johnson, der Spieler, als Nichtmitglied vollen Zugang zum EU-Binnenmarkt, ohne die entsprechenden Verpflichtungen zu übernehmen – wie Norwegen und die Schweiz. Ob die „souveränen“ Briten und Nordiren die Regeln des EU-Binnenmarktes wirklich beachten wollen, ist zweifelhaft, Zölle bleiben möglich, ja wahrscheinlich. UK bleibt so lange EU-integrationsunfähig, wie die tonangebenden englischen Konservativen immer noch nicht erkannt haben, dass das Land nicht mehr Weltmacht ist, sondern eine europäische Mittelmacht wie Frankreich und Deutschland. Nur als aktiver, zur Integration bereiter EU-Mitgliedstaat galt die Stimme Londons noch etwas im Kreis der Weltmächte. Und, allein in der Welt, droht UK nun der Verlust der europatreuen Schotten und der Nordiren, die nur im EU-Binnenmarkt ohne harte Grenze zu Irland in Frieden leben können. Johnson läuft das Risiko, der letzte Premierminister des Vereinigten Königreichs zu sein. Wann werden er und die englischen Konservativen das „Gnothi Seauton“ („Erkenne Dich selbst“) des Apollotempels von Delphi, den antike Herrscher vor wichtigen Entscheidungen aufsuchten, endlich verinnerlichen und doch noch europafähig werden? Also: Auf Wiedersehen demnächst in der Europäischen Union! Dr. Wilhelm Schürmann, Königswinter
Mitleid mit den Fliegen
Es lohnt sich, die Seite „Jugend und Wirtschaft“ in der F.A.Z. nicht zu überblättern. Diesmal stellt uns der Gymnasiast Daniel Andrecht im Beitrag „Fliegen sind sehr anhänglich“ (F.A.Z. vom 18. Dezember) („Marktführer Aeroxon: Sie haben den Fliegenfänger erfunden“ ( FAZ-NET vom 17. Dezember) sehr informativ die Geschichte und Arbeit der Firma Aeroxon vor. Bis auf den heutigen Tag stellt dieses Unternehmen die einem älteren Publikum gut bekannten Fliegenfänger her, die, um der Fliegenplage wirkungsvoll Herr zu werden, nicht zuletzt in landwirtschaftlichen Ställen aufgehängt werden. Doch wer Robert Musils kurze dramatische Erzählung „Das Fliegenpapier“ liest, der bekommt, auch wenn er nicht zart besaitet ist, durchaus Mitleid mit den äußerst langsam und elendiglich verendenden Plagegeistern. Vielleicht wird einmal ein Fliegenfänger auf den Markt gebracht, der die kleinen Tiere rasch tötet. Professor Dr. Franz Kromka, Freising
Maschinen und Emotionen
Bei aller durchaus berechtigten Begeisterung für die Arbeit der neuen Leibniz-Preisträgerin Elisabeth André an „emotionalen“ Robotern („Gefühlserziehung für Roboter. Die Leibniz-Preisträgerin Elisabeth André entwickelt empathische" Maschinen“, F.A.Z. vom 16. Dezember) ist doch auf grundlegende Eigenschaften der natürlichen Emotionalität hinzuweisen, die sie von einer letztlich simulierten Emotionalität unterscheidet. Sie werden leicht deutlich, wenn die biologische Funktion der Emotionalität in den Blick genommen wird. Vereinfacht ist anzunehmen, dass Emotionen der Aufrechterhaltung der Integrität des Organismus und der Fortdauer der Existenz von Organismen derselben Spezies dienen. Dabei befinden sich die Organismen nicht im luftleeren Nirgendwo (in der Cloud oder auf einem Rechner), sondern zumeist mit gleich ausgestatteten Organismen in Gesellschaft. Dabei sind sich die Individuen gewahr, dass alle Individuen prinzipiell gleiche Gefühle und ein gleiches Schicksal teilen – das der Endlichkeit. Zwar können Emotionalität und dieses Bewusstsein dissoziieren, dies gilt aber nur in Sonderfällen, in der Regel fällt für Menschen beides zusammen, wir wissen von unserem Gegenüber, dass er trauern und glücklich sein, Angst haben oder wütend sein kann und dass er sterben kann. Die Emotionen sind intrinsisch an Leben gebunden. Wir werden voraussichtlich deshalb kaum davon zu überzeugen sein, dass Maschinen unser lebendiges Schicksal teilen, wenn sie durch eine identische Fabrikation ersetzt werden können bis hin zur identischen Wiederherstellung ihrer „Erfahrungen“, das heißt der Liste ihrer Interaktionen mit Menschen mit oder ohne affektive Belegung dieser einzelnen Aktivitäten. Es ist auch zu bezweifeln, ob beobachtete Emotionen in einem Film qualitativ gleichzusetzen sind mit erlebten Emotionen. Denn es dürfte jedem klar sein, dass es ein Unterschied ist, ob ich sehe, wie Clint Eastwood einen Banditen erschießt oder das neben mir in der U-Bahn passiert. Im Übrigen ist es ethisch zweifelhaft, ob es gerechtfertigt ist, etwa Dementen Gefühle vorzuspielen. Bleibt noch die Frage, ob Emotionen in der Interaktion von Robotern einen Sinn oder eine Funktion haben können. Hier ist lediglich festzuhalten, dass Emotionen – auch simulierte – Rechenkapazität kosten! Und sollten Roboter überdies jemals ein Bewusstsein entwickeln, dann dürften sie ja ebenfalls errechnen, dass es sich nicht lohnt, etwa über einen „Roboterpartner“ zu trauern, wenn er identisch ersetzt werden kann. Summa summarum: Errechnete Emotionen sind keine Emotionen und sollten als solche nicht verkauft werden. Professor Dr. Thomas Treig, Greifswald
Breite, Verlässlichkeit – und Orientierung
Zur F.A.Z.-eigenen Anzeige „Danke für Ihr Vertrauen in unsere Leistung“. (F.A.Z. vom 24. Dezember): Als langjähriger Abonnent der F.A.Z. habe ich Ihren an die Leser Ihrer Zeitung gerichteten Dank für deren Vertrauen in Ihre Leistung gerne und wertschätzend zur Kenntnis genommen. Dieser Dank erheischt indes eine Reaktion. Erlauben Sie mir als einer Ihrer langjährigen Abonnenten daher, am Ende eines für uns alle ungewöhnlich schwierigen Jahres Ihnen meinen Dank und meine Anerkennung für eine über die Jahre fortgesetzt qualitätsvolle Berichterstattung auszusprechen. Der Dank richtet sich, über den an die Herausgeber der F.A.Z. hinaus, an die 350 Redakteurinnen und Redakteuren im In- und Ausland, die mit ihren kenntnisreichen und fundierten Beiträgen dem einzelnen Leser das geben, wonach er, besonders in unsicheren Zeiten, sucht: Breite und Verlässlichkeit der Information, Gründlichkeit der Analyse und damit: Orientierung. Dieser Erwartung, die gleichzeitig Anspruch ist, genügt Ihre Zeitung immer wieder in herausragender Weise. Möge die Gewissheit der Verbundenheit zwischen Redaktion und Leserschaft der F.A.Z. Ihre erfolgreiche Arbeit auch im kommenden Jahr tragen und leiten. Hans-Arnold Loos, Münster
Und freut sich an dem Zeitungsblatt
Ein großes Dankeschön an die FA.Z. und ihre Boten:
Des Nachts, wenn noch die Sterne funkeln,
da brummt ein Motorrad im Dunkeln
in vielen Gassen hin und her,
mit Taschen voller Zeitungen schwer,
und routiniert fährt dieser Bote dann,
seine Zeitungsabonnenten an.
Die Route kennt er wie im Schlaf,
sogar die Hunde bleiben brav.
Die Satteltaschen leer’n sich schnell,
und wenn’s dann bald wird wieder hell,
der Leser geht zum Zeitungsrohr,
holt seine F.A.Z. hervor
und freut sich an dem Zeitungsblatt,
das nachts man ihm geliefert hat.
Roland Lotz, Rödermark