: Leserbriefe vom 19. März 2021
- Aktualisiert am
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mit den F.A.Z.-Herausgebern (im Uhrzeigersinn) Jürgen Kaube, Gerald Braunberger, Carsten Knop und Berthold Kohler im Foyer des Redaktionsgebäudes. Bild: Frank Röth
F.A.Z.-Kongress +++ Digitaler F.A.Z.-Kongress +++ Rede Bundespräsident +++ Ernst Hemicker +++ Monika Grütters +++ Fernweh
Warum es die F.A.Z. geben muss
Wer – gelegentlich – kritisiert, sollte auch loben, wenn es Anlass gibt. Ihr digital organisierter F.A.Z.-Kongress am 12. März, den ich nahezu über den ganzen Tag verfolgt habe, gibt hinreichend Anlass.
Eine attraktive Mischung wichtiger und aktueller Themen weckte Neugier, die nicht enttäuscht wurde. Die Technik funktionierte aufs Ganze gesehen. Hier mag es noch Luft nach oben geben. Eigentlich war es aber tröstlich zu sehen, dass digitale Formate nicht gänzlich an analoge heranreichen, indes wichtige Funktionen übernehmen können, wenn die Zeiten Letztere nicht zulassen oder die eigene Zeit nicht reicht anzureisen.
Ein gänzlich uneingeschränktes Lob und zugleich mein Dank für Ihr Engagement und das all Ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt der Auswahl der Gesprächspartner und der Gesprächsführung selbst. Sachkundig vorbereitete Themenstellungen und geführte Gespräche ließen Kenntnisse und Auffassungen der eingeladenen Gäste ebenso erkennen wie ihre Botschaften. Ein schöner Nebenaspekt war, dass man die/den eine/n oder andere/n Redakteur/in einmal live erleben durfte.
Dies gilt in ganz besonderer Weise gerade auch für Sie, die Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Bei jedem Ihrer persönlichen Auftritte und Beiträge wurde klar, warum es diese Zeitung gibt, warum es sie geben muss und dass es schön ist, dass sie ihren Platz souverän beherrscht. All dies bis zu den ebenso kurzen und klugen Abschiedsworten von Herrn Kaube. Johannes Keders, Präsident des Oberlandesgerichts a. D., Hamm
Analoger Ausgleich
Zum digitalen F.A.Z.-Kongress: Zeitung bedeutet Überraschung und Weiterbildung. Diese beiden Aussagen am Schluss des Kongresses haben mir besonders gut gefallen, weil sie auch meine persönliche Meinung und Einstellung sehr gut wiedergeben.
Am Rande möchte ich noch folgende Bitte loswerden: Bei aller Euphorie für digitale Produkte – bitte vernachlässigen Sie Ihre gedruckte Zeitung nicht. Mir persönlich ist gerade in diesen Zeiten die gedruckte Ausgabe sehr wichtig, denn wenn man beinahe den ganzen Tag bereits vor Bildschirmen verbracht hat, so genieße ich es in der Pause oder nach Feierabend, ein analoges Produkt in die Hand nehmen zu können. Mein persönliches Lesevergnügen und eben die Weiterbildung beim Lesen sind deutlich höher. Natürlich kenne ich Ihre digitalen Produkte und ihre Vorteile, sehe darin jedoch eher eine gute Ergänzungsmöglichkeit beziehungsweise einen ersten Einstieg in die F.A.Z.-Welt. Interessant ist, dass ich im Bekannten- und Kollegenkreis gar nicht allein mit dieser Meinung bin, obwohl wir alle Anfang oder Mitte dreißig sind.
Jan Globacev, Bad Lippspringe
Die Neutralitätspflicht des Präsidenten
Zu „Steinmeier wirft Abgeordneten schäbiges Verhalten vor“ (F.A.Z. vom 13. März): Es hat ein „Geschmäckle“, wenn ein Bundespräsident so etwas unmittelbar vor zwei Landtagswahlen über Abgeordnete anderer Parteien sagt. Zumal deren Fraktions- und Parteifunktionäre und sogar der Bundestagspräsident deswegen bereits öffentlich in Sack und Asche gegangen sind, nachdem sie die Dinge lange Zeit haben ruhenlassen. Dies auch noch bei Parteien, deren Klientel das Geldverdienen vollkommen fernliegt – es ist leider auch sehr viel Heuchelei im Spiel.
Die Frage muss erlaubt sein, ob es mit der Neutralitätspflicht des Bundespräsidenten noch vereinbar ist, zwei eindeutig identifizierbare Bürger seines Landes, zumal frei gewählte Abgeordnete, auf diese Weise öffentlich zu schmähen und in gewisser Weise auch „nachzutreten“. Man könnte meinen, dass diese Form des öffentlichen Umgangs und der Rhetorik eher zur parlamentarischen und tagespolitischen Auseinandersetzung gehört, insoweit auch schon ausgeschöpft ist, und dass der Bundespräsident darüber stehen sollte.
Noch fragwürdiger erscheint es, wenn zugleich eine Gefahr für die „Integrität des Staates und seiner Institutionen“ beschworen wird. Damit tut man den betreffenden Abgeordneten nun doch zu viel der Ehre an. Wenn man sich aber in diesem Zusammenhang überhaupt Sorgen machen muss, dann über einen Bundespräsidenten, der die seinem Amt gezogenen verfassungspolitischen Grenzen nicht immer respektiert und sich nur allzu gern und allzu oft in das tagespolitische Geschehen einmischt. Wie auch sonst wäre weniger manchmal mehr. Matthias Weckerling, Bonn
Die Schützen waren keine Letten
Zu dem Artikel „Mein Großvater, der Täter“ in der März-Ausgabe des Magazins (F.A.Z. vom 13. März): Im Jahr 1989 stieß ich im noch sowjetisch besetzten Riga auf Spuren der deutschen Besatzungszeit – des „Reichsjudengettos“, der Vernichtungsorte von Rumbula und Bikernieki. Die Geschichte über Ernst Hemicker habe ich verschlungen. Ich danke seinem Enkel Lorenz Hemicker, Ihrem Redakteur, und empfinde Respekt, dass er die Geschichte über Taten seines Großvaters im Holocaust öffentlich gemacht hat.
Auch wenn es der Generationenabstand inzwischen erleichtert: Ich vermute, dass immer noch Mut dazu gehört, eine solche Geschichte zu veröffentlichen. Sie gehört zu den ganz wenigen, die bisher überhaupt in einem überregionalen deutschen Medium zum Judenmord in Riga erschienen ist. Dass in Riga und Minsk auch die Massenvernichtung deutscher und österreichischer Juden begann, ist bis heute wenig bewusst.
Nur eine Anmerkung: Hemicker schreibt in der Passage zum 30. November 1941 von „lettischen Schützen“ an den Gruben. Dabei handelt es sich offenkundig um eine Aussage seines Großvaters, die nicht den Tatsachen entspricht. Die Schützen kamen zum großen Teil aus der Dienststelle des Höheren SS- und Polizeiführers, von Friedrich Jeckeln persönlich ausgewählte Schutzpolizisten und Angehörige des SD. Lettische Polizisten waren an der Gettoräumung beteiligt und bewachten die Kolonnen nach Rumbula.
Winfried Nachtwei, ehem. Mdb, Münster
Auf dem Weg zur Plantagen-Kultur
Zum Artikel von Reiner Burger „Schattenboxen um ein Kulturministerium“, (F.A.Z. vom 13. März): Nach sieben Jahren im Amt hält Dr. Monika Grütters eine Grundgesetzänderung zur ministeriellen Aufwertung ihrer bisherigen Aufgabe für angebracht – eine ungute Überraschung, die sie sich für den Schluss ihrer zweiten Amtszeit aufgehoben hat.
Mit der verfassungsrechtlichen Fiktion eines „Bundesministeriums für Kultur“ würde ein ordnungspolitisches Verständnis von Kultur im Grundgesetz verankert. Wenn „Förderung und Stärkung von Kultur“ propagiert wird, wachsen immer die Gefahren von Selektion und Kontrolle, die jeder politische Zugriff auf die kulturelle Sphäre mit sich bringt. Dass Grünen-Chef Habeck die Forderung von Frau Grütters so vehement unterstützt („Wir müssen Diskurse schaffen“), lässt überdeutlich die Absichten hinter der Initiative erkennen: Es geht um Verabreichung von Weltanschauung, Verteilungskonzepte von Ideologie. Genau dieses wollte das Grundgesetz verhindern, indem es die Kulturförderung den Ländern übertrug. Steuernde Übergriffe und Richtungsvorgaben aus staatlicher Zentralperspektive sollten ein für alle Mal in Deutschland unmöglich werden.
Wer Plantagen-Kultur besichtigen will, kann das bei der Kulturstiftung des Bundes tun, deren Gründungsdirektorin seit 19 Jahren im Amt ist. „Favorisieren“ ist hier seit langem kulturpolitisches Geschäft. Mit einem Bundesministerium für Kultur wären wir zurück im etatistischen Kulturbegriff des 18. Jahrhunderts, mit Kunstschaffenden als Bittsteller, die sich mit ihren Eingaben an diverse Gremien und Beiräte zu wenden haben. Man lasse sich nicht täuschen. Die „Förderung und Stärkung von Kultur“, die sie meinen, bedeutet: noch mehr Einfluss von Parteien und Bürokraten auf Kunst und Kultur. Ulysses Belz, Isen
Gegen das Mickrige
Jakob Strobel y Serra verdient einen Preis für „Fernweh ist keine Ordnungswidrigkeit“ (F.A.Z. vom 11. März). Ich bin begeistert. Endlich einmal ein Aufsatz gegen dies Mickrige in diesen Tagen, Wochen. Danke ihm und der Redaktion! Manfred Marschall, Wentorf bei Hamburg