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Briefe : Leserbriefe vom 29. Dezember 2021

  • Aktualisiert am

Aus dem un­glücklichen Petersburger Taxifahrer wurde ein Zar: Wladimir Putin im Kreml. Bild: AP

Russland +++ Zar Putin +++ Christentum +++ Kluge Entscheidung +++ Impfpflicht +++

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          Russlands Finanzvermögen

          Die russi­schen Trup­pen­kon­zen­tra­tio­nen um die Gren­zen der Ukrai­ne haben Besorg­nis in der NATO über den russi­schen Aufmarsch (F.A.Z. vom 18. Dezem­ber) und in der EU eine brüchi­ge Einheit gegen Russ­land (F.A.Z. vom 17. Dezem­ber) zum Vorschein gebracht. Die NATO wie die EU sind sich einig, dass auf eine russi­sche Aggres­si­on, denn darum würde es sich in der Tat nach Arti­kel 3 der Aggres­si­ons­de­fi­ni­ti­on der Verein­ten Natio­nen handeln, eine harte, unmiss­ver­ständ­li­che Antwort erteilt werden müsste. Darüber, wie eine solche Antwort ausse­hen sollte, herrscht zurzeit wenig Klar­heit und, so scheint es, auch keine Über­ein­stim­mung. Es gäbe aller­dings ein Mittel, das gege­be­nen­falls noch wirkungs­vol­ler wäre als die bisher disku­tier­ten des Ausschlus­ses aus dem SWIFT-Zahlungs­sys­tem oder der Aufkün­di­gung der Nord-Stream-2-Pipe­line. Es sollte ernst­lich in Erwä­gung gezo­gen werden, das gesam­te russi­sche Auslands­ver­mö­gen, sowohl Finanz­an­la­gen wie Immo­bi­li­en, und davon gibt es sehr viel, als Feind­ver­mö­gen zu beschlag­nah­men. Das histo­ri­sche Vorbild dafür ist die Beschlag­nah­me des gesam­ten deut­schen Auslands­ver­mö­gens im Zwei­ten Welt­krieg. Diese Maßnah­me hätte mehr Wirkung als die bisher disku­tier­ten. Hier­durch würden nämlich Putin und der Kreis seiner Olig­ar­chen, die eigent­li­chen Träger des Systems, unmit­tel­bar betrof­fen werden. Sie würden ernst­lich über­le­gen, ob sie ihr gesam­tes Vermö­gen durch die russi­sche Droh­po­li­tik gegen die euro­päi­schen Nach­barn aufs Spiel setzen wollen. Sollte das russi­sche Regime mit einer Enteig­nung west­li­cher Inves­ti­tio­nen als Gegen­maß­nah­me drohen, so wird die Verwer­tung der russi­schen Auslands­gut­ha­ben zur Entschä­di­gung der west­li­chen Inves­to­ren mengen­mä­ßig kein Problem berei­ten. Für die Beschlag­nah­me als Feind­ver­mö­gen ist nur sicher­zu­stel­len, dass der Rechts­weg vor die west­li­chen Gerich­te blockiert wird. Hier gilt das Argu­ment, das auch deut­schen Privat­ei­gen­tü­mern entge­gen­ge­hal­ten wurde, dass sie als Staats­bür­ger für das völker­rechts­wid­ri­ge Handeln ihrer Regie­rung mitver­ant­wort­lich seien. Es kommt darauf an, dass der Westen fest und entschlos­sen auftritt. Wohin eine Appease­ment­po­li­tik führt, hat die Geschich­te schon gezeigt. Dr. Ernst-Jörg von Studnitz, Botschaf­ter a. D., Königs­win­ter

          Mächtig oder machtlos?

          Viktor Jero­fe­jew beschreibt Putin in seinem Arti­kel „Unser Zar ist unbe­re­chen­bar“ (F.A.Z. vom 22. Dezem­ber) als sieg­rei­chen Herr­scher. Er habe den Vorteil, dass er seine Schrit­te nicht mit einem Parla­ment abstim­men müsse. Das ist rich­tig, aber ist das für die Russen von Vorteil? Vorteil­haft ist Putins Posi­ti­on ausschlie­ß­lich für ihn persön­lich, für andere nur, soweit Putin darin seinen Vorteil sieht. In west­li­chen Demo­kra­ti­en werden Entschei­dun­gen nicht einfach durch­ge­boxt; bei ihnen werden viel­mehr auch die Posi­tio­nen von Minder­hei­ten beach­tet. Das stärkt das Volk, das sich weit­ge­hend von der Staats­macht reprä­sen­tiert fühlt. Fühlen die Russen sich mäch­tig oder nicht doch eher macht­los gegen­über dem Herr­scher? Ein mäch­ti­ger Präsi­dent macht noch kein mäch­ti­ges Volk. Zudem zeigt die Angst Putins vor einzel­nen Oppo­si­tio­nel­len die Fragi­li­tät seiner Macht. Tobias Amberg, Eich­wal­de

          Der Mensch Jesus

          Die Ergebnisse der Allensbach-Untersuchung, veröffentlicht unter dem Titel „Christliche Kultur ohne Christen“ in der F.A.Z. vom 22. Dezember, wirken auf mich wie ein Paukenschlag. Wird die Kirche sie als Weckruf begreifen? So wenige Menschen sagen von sich, sie seien gläubige Mitglieder der Kirche, es sind nur noch 23 Prozent der Katholiken und 12 Prozent der Protestanten. Aber wie lange hält man es aus, ein Glaubensbekenntnis zu sprechen, einen Glauben zu bekennen und zentrale Aussagen desselben nicht glauben zu können? Am 24. Dezember feiern wir Christi Geburt, ein Ereignis, mit dem eine neue Zeitrechnung begonnen hat. Jesus soll und könnte unser Erlöser sein, wenn nur die Theologie nicht ein riesiges, philosophisches, mystisches Gedankengebäude um Gott und ihn herum errichtet hätte und die Gefahr besteht, dass seine Botschaft mit den Zweifeln an den Glaubensinhalten verloren geht. Warum nicht sich auf Jesu Botschaften besinnen: Barmherzigkeit, Friedfertigkeit, Güte, Nächstenliebe und die unbedingte Forderung nach Wahrheit, Recht und Gerechtigkeit. Für diese Botschaften sind gewiss die vielen „ungläubigen Christen“ empfänglich, denen die christlichen Wertvorstellungen nach wie vor viel bedeuten, die es wichtig finden, dass ihre Kinder religiös erzogen werden. Was kann die Kirche für „ungläubige Christen“ tun? Diese fragen: Ist Gott oder ist er nicht? Hat Bonhoeffer recht, wenn er sagt: „Einen Gott, den es gibt, gibt es nicht.“? Sollte man nicht aus dem Leben Jesu eine frohe Botschaft verkünden und sagen „Jesus hat für dich gelebt“ statt „Er ist für dich gestorben“! Der Opfertod wegen unserer Sünden ist sehr schwierig zu verstehen. Ist Jesus nicht erst dann wirklich auferstanden und lebt, wenn er in uns, in jedem von uns auferstanden ist? Sollte der Gottesdienst Jesu Botschaft nicht auch im Gebet und im Bekenntnis sehr viel stärker in den Vordergrund stellen? Gott ist doch, so meint zumindest der ungläubige Christ, seit der Zeit der Aufklärung eine Idee, die große Idee der Vollkommenheit, eine liebende Kraft. Hat die Kirche überhaupt ein Interesse an „ungläubigen Christen“, oder sind diese längst verlorene Schafe? Dr. med. Friedrich-Joachim Kapp, Berlin

          Kluge Entscheidung

          Dem Leser­brief von Herrn Dr. Ulrich Wiede­mann aus Berlin „Das kann Rechts­ge­schich­te schrei­ben“ (F.A.Z. vom 22. Dezem­ber) zu dem Prozess wegen des Tier­gar­ten­mor­des in Berlin und dem dankens­wer­ten Hinweis auf das frühe­re Stasch­in­ski-Urteil möchte ich ergän­zend hinzu­fü­gen: Die Kehr­sei­te dessen, dass der BGH Stasch­in­ski nur als Gehil­fen einstuf­te, war, dass der Auftrag­ge­ber KGB als Täter gebrand­markt wurde. Das inter­es­sier­te damals in den Zeiten des kalten Krie­ges wohl nieman­den. Haupt­sa­che, der Gehil­fe Stasch­in­ski konnte irgend­wann unauf­fäl­lig abge­scho­ben werden. Nicht auszu­den­ken die Folgen, wenn der nunmeh­ri­ge Tier­gar­ten­mör­der in einem Urteil als Gehil­fe des russi­schen Staa­tes oder seiner Organe einge­stuft worden wäre, weil diese dann denknot­wen­dig als der eigent­li­che Täter hinter dem Gehil­fen oder bloßen Werk­zeug ange­se­hen werden müss­ten. In dem Fall hätte sich Russ­land wohl kaum damit begnügt, ein paar deut­sche Diplo­ma­ten zu uner­wünsch­ten Perso­nen zu erklä­ren. Wie gut, dass die Justiz unse­rem Land diese Verwick­lung erspart hat! Andre­as Göhmann, Hanno­ver

          Gegen die Mehrheit

          Zu dem Arti­kel „Impf­pflicht sorg­fäl­ti­ger und ehrli­cher abwä­gen“ in der F.A.Z. vom 24. Dezem­ber: Nach wie vor ist Konsens unter der Mehr­heit der Wissen­schaft­ler welt­weit, dass die mangeln­de Impf­be­reit­schaft zumin­dest ein wesent­li­cher Faktor dafür ist, dass wir die Pande­mie nicht in den Griff bekom­men und wir gesamt­ge­sell­schaft­lich weiter neben der gesund­heit­li­chen Gefähr­dung auch unter kultu­rel­len, sozia­len und wirt­schaft­li­chen Einschrän­kun­gen leiden. Wie kann es vor diesem Hinter­grund sein, dass vier Mitglie­der ausge­rech­net des Ethik­ra­tes – der sich gerade mit großer Mehr­heit dafür ausge­spro­chen hat, die gesetz­li­che Impf­pflicht über die bestehen­de einrich­tungs­be­zo­ge­ne Impf­pflicht hinaus auszu­wei­ten – sich gegen eben­die­se Mehr­heit wendet? Und damit nicht genug, dies auch noch öffent­lich­keits­wirk­sam und auch nicht als Privat­per­so­nen, sondern in ihrer Funk­ti­on als Mitglie­der des Ethik­ra­tes? Als wenn es nicht schon genug Proble­me mit Impf­ver­wei­ge­rern und -skep­ti­kern gäbe, die letzt­lich uns alle betref­fen. Die Wirk­sam­keit und die Wirk­dau­er der vorhan­de­nen Impf­stof­fe, obwohl inzwi­schen milli­ar­den­fach verimpft, erneut infra­ge zu stel­len – noch dazu als Mitglie­der des Ethik­ra­tes –, gibt der oben genann­ten Minder­heit unnö­tig neue Argu­men­ta­ti­ons­hil­fe! In jedem Falle soll­ten die vier mit sofor­ti­ger Wirkung frei­wil­lig ihr Mandat im Ethik­rat nieder­le­gen oder von diesem ausge­schlos­sen werden. Was wir im Moment brau­chen, ist, dass die Menschen zusam­men­ste­hen im Kampf gegen die Pande­mie, und nicht weite­re Spal­tung. Genau dies geschieht hier gerade. Dr. Thomas Weins­berg, Wies­ba­den

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