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BKA-Präsident im Interview : „Die Sprache kommt vor der Tat“

BKA-Präsident Münch: „Wir haben ein großes islamistisches Potential von Personen, die wir genau im Blick behalten müssen. Deren Zahl ist seit der Ausrufung des sogenannten Kalifats im Jahr 2014 gewachsen.“ Bild: Matthias Lüdecke

Wie groß ist die Gefahr terroristischer Anschläge in Deutschland? BKA-Präsident Holger Münch im F.A.Z.-Gespräch über IS-Kämpfer auf den Flüchtlingsrouten und Gewalt von rechts und links.

          6 Min.

          Herr Präsident, am Donnerstag sind drei mutmaßliche Terroristen des „Islamischen Staates“ verhaftet worden – was wissen Sie über deren Pläne?

          Eckart Lohse
          Leiter der Parlamentsredaktion in Berlin.
          Matthias Wyssuwa
          Politischer Korrespondent in Berlin.

          Es wurden drei syrische Asylbewerber festgenommen, die in Düsseldorf einen Selbstmordanschlag geplant haben sollen. Der Hinweis kam aus Frankreich, dort hatte sich ein vierter Verdächtiger selbst gestellt und die Namen der drei genannt. Diese Festnahmen stehen nicht im Zusammenhang mit der Fußball-EM. Alles Weitere müssen die Ermittlungen ergeben, die das nordrhein-westfälische Landeskriminalamt im Auftrag des Generalbundesanwaltes führt.

          Was sagt dieser Fall über die Gefährdungslage in Deutschland aus?

          Er ist ein weiterer Beleg dafür, dass ganz Europa und damit auch Deutschland im Zielspektrum des sogenannten IS ist. Wir haben ein großes islamistisches Potential von Personen, die wir genau im Blick behalten müssen. Deren Zahl ist seit der Ausrufung des sogenannten Kalifats im Jahr 2014 gewachsen. So gibt es 810 Personen, die aus Deutschland in Richtung Syrien und Irak ausgereist sind, etwa ein Drittel von ihnen ist zurückgekehrt. Die Zahl der sogenannten Gefährder, also Personen, denen wir einen terroristischen Anschlag zutrauen, liegt bei fast 500.

          Wie gut organisiert sind die Islamisten?

          Sowohl in Deutschland als auch darüber hinaus sind sie gut vernetzt. Die Anschläge in Brüssel und Paris wurden aus einem Netzwerk heraus verübt, das eine gut zweistellige Zahl von Mitgliedern hat. 13 von ihnen sind tot, fünf in Haft. Wir wissen inzwischen, dass über die Flüchtlingsströme auch Attentäter gereist sind. Zwei der Attentäter von Paris sind so nach Europa gekommen, zwei weitere Verdächtige wurden auf der Route verhaftet.

          Wie erfahren Sie, welche Personen in den Migrantenströmen gefährlich oder auch nur verdächtig sind?

          Die Hinweise auf derartige Personen kommen von Flüchtlingen genauso wie von anderen Sicherheitsbehörden. Mittlerweile haben wir mehr als 380 Hinweise auf angebliche Mitglieder oder Unterstützer von terroristischen Gruppierungen bekommen, denen wir nachgehen.

          Wie viele erweisen sich als ernsthaft?

          Wir führen derzeit 49 Ermittlungsverfahren gegen Personen, die im Flüchtlingsstrom gereist sind. Nicht hinter jedem Verfahren muss am Ende ein terroristischer Sachverhalt stehen. Es kann sich ebenso um Kriegsverbrechen, begangen in Syrien oder dem Irak, handeln. Bei den meisten Hinweisen bestätigt sich der Terrorismusverdacht also nicht.

          Können Sie denn bei den vielen Flüchtlingen, die gekommen sind, auch nur annähernd einen Überblick bekommen?

          Es gibt nach wie vor einen Rückstand bei der Erfassung der Eingereisten. Aber selbst nach der Erfassung gibt es keine vollständige Sicherheit. Die meisten Flüchtlinge kommen aus Regionen, in denen es weder behördliche Strukturen noch biometrische Daten wie Fingerabdrücke gibt, um die Identität einer Person abzugleichen.

          Nächste Woche beginnt die Europameisterschaft in Frankreich. Kann man die Sicherheit bei einer solchen Großveranstaltung gewährleisten?

          Es gibt immer Restrisiken. Aber wenn man die Sicherheitsvorkehrungen in der Annahme plant, dass ein terroristischer Anschlag drohen könnte, sind diese naturgemäß deutlich umfassender als wenn sich derartige Maßnahmen nur gegen gewalttätige Fans oder das Mitführen von Pyrotechnik richten. Vor allem nach den Erfahrungen der jüngsten Vergangenheit ergreifen die Franzosen umfangreiche Sicherheitsvorkehrungen.

          Was macht das Bundeskriminalamt?

          Wir haben beispielsweise eine Gefährdungsbewertung erstellt. Als diese bekanntwurde, hieß es, das BKA warne vor Anschlägen während der Europameisterschaft. Das haben wir nicht getan, es gab keine Terrorwarnung. Und es gibt derzeit auch keine Hinweise, die auf konkrete Anschlagsplanungen hindeuten. Allerdings haben wir angesichts der aktuellen Bedrohungslage auf die Notwendigkeit hingewiesen, einen sehr hohen Sicherheitsstandard zu gewährleisten und mit den französischen Behörden eng zusammenzuarbeiten. Das tun wir.

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