Bildung : Ein Bund für die Schulen
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„Das Kooperationsverbot ist Blödsinn: Es muss weg“ Bild: dpa
Das sogenannte Kooperationsverbot zwischen Bund und Ländern hat in der Praxis absurde Auswirkungen. Der Ärger darüber eint CDU und SPD. Beide sagen jetzt: Die Länder brauchen finanzielle Hilfe bei der Bildung.
Wer sich heute auf die Suche nach dem Kooperationsverbot macht, der trifft auf ein Phantom. Die meisten Bürger kennen das Wortungetüm nicht einmal. Im Grundgesetz gibt es keinen einzelnen Paragraphen dafür. Nirgends steht explizit zu lesen: „Dem Bund ist es verboten, in die Schulen der Länder Geld zu investieren.“
Die gesetzliche Regelung findet sich in einem Bermuda-Dreieck von Paragraphen, irgendwo zwischen dem Artikel 30 (Allzuständigkeit der Länder), dem Artikel 91 b (Gemeinschaftsaufgabe Wissenschaft) und dem Artikel 104 b über die Finanzbeziehungen. Dieser Artikel erlaubt es dem Bund, den Ländern Geld zu geben. Aber nur, und das ist der Schlüsselsatz, „soweit dieses Grundgesetz ihm Gesetzgebungsbefugnisse verleiht“. Für die Praxis heißt das: Der Bund darf Schulen niemals Geld geben. Und Hochschulen nur ausnahmsweise.
Das Phantom hat allerdings reale Auswirkungen - und absurde. In der Finanzkrise des Jahres 2009 wollte die Bundesregierung die Konjunktur nicht nur mit Abwrackprämien für Autos, sondern auch mit Investitionen in Schulen ankurbeln. Verfassungsexperten winkten sofort ab: Nicht erlaubt! Also wurde das Grundgesetz geändert, damit der Bund die Schulen unterstützen konnte. Erlaubt waren aber nur Maßnahmen zur energetischen Sanierung: Sonnenkollektoren auf dem Dach, Wärmeschutzplatten an der Fassade. Das Naheliegende blieb verboten - etwa neue Lehrer einzustellen oder Programme zur Verbesserung der angeschlagenen Schreib- und Rechenkünste der Schüler aufzulegen.
Hier liegt die Crux
„Das Kooperationsverbot zählt zu den größten bildungspolitischen Fehlern des vergangenen Jahrzehnts“, sagt etwa DGB-Vize Elke Hannack. „Der Bund darf zwar den Aufbau von Schulen in Indonesien finanzieren - in der Lausitz oder der Lüneburger Heide aber nicht.“ Aber wie konnte die Politik ein Gesetz verabschieden, das inzwischen als Idiotenparagraph verspottet wird? Im Jahr 2006, als das Kooperationsverbot ins Grundgesetz gepuzzelt wurde, galt es als Meilenstein, als tragende Säule der Föderalismusreform. Bund und Länder hatten ihre komplizierte Zusammenarbeit neu geregelt: Wer ist wofür zuständig, wann kann der Bundesrat nein sagen? Die Bundesregierung hatte danach gejubelt, sie habe die Vetomacht der Länder gebrochen. Seit der Föderalismusreform dürfen die Ministerpräsidenten im Bundesrat nämlich viel weniger Gesetze des Bundes in Frage stellen. Im Gegenzug mussten die Länder dafür etwas bekommen - die alleinige Zuständigkeit für Bildung.
Doch hier liegt die Crux. Die Kulturhoheit, sprich die administrative und gesetzgeberische Zuständigkeit für die Bildung, besaßen die Länder ja ohnehin. Die Kultusminister gründeten zum Beispiel ihre berühmte Kultusministerkonferenz, noch bevor das Grundgesetz 1949 in Kraft getreten war. Die große Koalition des Jahres 2006 potenzierte also gewissermaßen diese Kulturhoheit. Die Länder waren von da an nicht nur zuständig für die Schulen, sie mussten sie jetzt auch ganz alleine bezahlen. Legendär ist der damalige Satz des Max-Planck-Gesellschaftsforschers Fritz W. Scharpf, die Beratungszeit in der damaligen Föderalismuskommission habe „nicht ausgereicht, um sich bis zu klugen Lösungen durchzudiskutieren“. Der Politologe Scharpf hat sein halbes Leben damit verbracht, den deutschen Föderalismus zu verstehen. Dass er 2006 die Stirn runzelte, hätte man als ein schlechtes Omen verstehen können.