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Beschneidung : Europäische Rabbiner kritisieren Kölner Urteil

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Die Rabbiner Pinchas Goldschmidt und Avichai Apel: „Beschneidung bildet die Grundlage dafür, Teil des jüdischen Volkes zu sein“

Die Rabbiner Pinchas Goldschmidt und Avichai Apel: „Beschneidung bildet die Grundlage dafür, Teil des jüdischen Volkes zu sein“ Bild: dpa

Die „Konferenz Europäischer Rabbiner“ warnt davor, künftig Beschneidungen in Deutschland als Straftat zu verfolgen. Damit drohe „ein fundamentales Problem für die Weiterexistenz der jüdischen Gemeinde in Deutschland“.

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          Die Konferenz Europäischer Rabbiner hat auf ihrer Tagung in Berlin am Donnerstag davor gewarnt, Beschneidungen in Deutschland als Straftat zu verfolgen. Wenn sich das Urteil des Kölner Landgerichts gegen die religiös motivierte Beschneidung von Jungen als Rechtsauffassung durchsetze, wäre das „ein fundamentales Problem für die Weiterexistenz der jüdischen Gemeinde in Deutschland“, sagte der Vorsitzende der Konferenz, der Moskauer Rabbiner Pinchas Goldschmidt. Es gebe den Grundsatz „zwei Juden, drei Meinungen“ - doch bei der Frage der Beschneidung gelte dies nicht. Sie sei das „erste Gesetz, das Abraham von Gott erhielt“.

          In dieser Frage, sagte Avichai Appel, Rabbiner in Dortmund, könnten die in der Konferenz Europäischer Rabbiner organisierten Rabbis - sie sind orthodox - für alle Juden in Deutschland sprechen. Die Beschneidung bilde die „Grundlage dafür, Teil des jüdischen Volkes zu sein“. In den Gemeinden herrsche große Sorge, berichtete der Rabbiner. Beschneider fragten, ob sie überhaupt noch Jungen beschneiden dürften oder ob Eltern mit ihnen dafür ins Ausland fahren müssten. Er erfahre jedoch auch viel Unterstützung.

          Es gebe Kontakte zur katholischen Kirche, dem Zentralrat der Muslime sowie zur türkisch-islamischen Organisation Ditib. In der nächsten Woche werde es in Stuttgart ein Gespräch zwischen der Deutschen Bischofskonferenz, Juden und muslimischen Geistlichen geben.

          Rabbiner Appel kündigte an, Beschneider in Deutschland würden einen Verband gründen. Sie arbeiteten schon jetzt professionell, wollten jedoch die Qualität und Sorgfalt ihrer Arbeit nachvollziehbar dokumentieren. Appel erinnerte daran, dass Christen den 1. Januar als Tag der Beschneidung Jesu feierten, die im Lukas-Evangelium beschrieben sei. Er habe volles Vertrauen in den Zentralrat der Juden in Deutschland und hoffe, dass Politiker darauf hinwirken würden, die Beschneidung in Deutschland weiterhin zu ermöglichen.

          Goldschmidt sieht das Urteil des Kölner Landgerichts gegen die Beschneidung als Teil einer europäisches Entwicklung, Minderheiten mit weniger Toleranz zu begegnen. Er erwähnte das Burka-Verbot in Frankreich, die Minarett-Volksabstimmungen in der Schweiz und den Versuch, das Schächten in den Niederlanden für illegal zu erklären.

          Alle „nichtchristlichen Zivilisationen“ seien augenblicklich „unter Angriff“, sagte er. Juden und Muslime müssten jetzt ihren „Mitbürgern mitteilen, was so ein Urteil bedeutet“. „Juden leben seit tausend Jahren in Deutschland“, sagte Goldschmidt, „und nie hat die Macht sich gegen Beschneidungen gewandt.“

          Zustimmend zitiert Goldschmidt einen Rabbiner, der gesagt habe, als alle religiös waren, habe der Antisemitismus eine religiöse Sprache gesprochen, mit der Säkularisierung sei es die Sprache des Rassismus geworden, heute benutze der Antisemitismus die Sprache der Menschenrechte.

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