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Regierung Polens : Zurechnungsfähig?

„Das ist keine Niederlage, das ist ein Sieg“, behauptet die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo in Bezug auf die Wahl des EU-Ratspräsidenten. Bild: Reuters

Die polnische Ministerpräsidentin Beata Szydlo bezeichnet die Niederlage bei der Wahl des EU-Ratspräsidenten als Sieg. Nun scheint selbst Ungarn an der Zurechnungsfähigkeit ihrer Regierung zu zweifeln.

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          Die Worte der polnischen Ministerpräsidentin Beata Szydlo bei der Rückkehr vom EU-Gipfel klingen wie ein Gruß aus einer anderen Realität: „Das ist keine Niederlage, das ist ein Sieg.“ Wenn die Siege der polnischen Regierung darin bestehen, allein gegen die 27 anderen Mitgliedstaaten in einer wichtigen Frage zu stehen und zu verlieren – wie sehen dann erst ihre Niederlagen aus? Das Zahlenverhältnis der Abstimmung bei der Wiederwahl des EU-Ratspräsidenten Donald Tusk gegen Warschaus Widerstand drückt dabei noch nicht einmal das ganze Ausmaß des Schadens aus, der für Polen dabei entstanden ist. Seine Chancen, Entscheidungen in der EU positiv in seinem Sinne zu beeinflussen, sind nach dieser Farce dramatisch gesunken.

          Reinhard Veser
          Redakteur in der Politik.

          Sogar aus den um Wahrung der diplomatischen Form bemühten Stellungnahmen von Warschaus engstem Verbündeten Ungarn klingen Zweifel an der Zurechnungsfähigkeit der polnischen Führung heraus. Selbst wenn man die Frage beiseiteschiebt, ob die Wahl Tusks für die EU gut ist oder nicht, ist es beängstigend, wie falsch die Regierung eines großen Mitgliedstaates die Kräfteverhältnisse einschätzt – und wie stolz sie auch noch auf ihre Unfähigkeit ist, Bündnisse zu schmieden.

          Aber nicht nur die Stellung Polens in der EU ist unterminiert, die ganze Gemeinschaft ist dadurch geschwächt. So gut es ist, dass die übrigen Mitgliedstaaten dem parteipolitisch motivierten Erpressungsversuch Jaroslaw Kaczynskis in einer für die Handlungsfähigkeit der EU wichtigen Frage nicht nachgegeben haben, ein Sieg für die EU ist es nicht, zumal Warschau offenbar entschlossen ist, den Schaden für sich und alle anderen zu maximieren.

          Die Ankündigung des polnischen Außenministers, nun in der EU zu einer Blockadepolitik übergehen zu wollen, hat etwas von einem politischen Amoklauf. Wenn Warschau damit ernst macht, ist in einem Jahr, das für die EU auch so zu einem Schicksalsjahr werden kann, eine weitere Front eröffnet worden, welche die Gemeinschaft zerreißen kann. So erledigt die angeblich im nationalen Interesse handelnde polnische Regierung das Geschäft des Regimes, das gerade die größte Bedrohung für Polens Sicherheit darstellt. Im Kreml sollten sie Jaroslaw Kaczynski und seine Leute schon einmal für einen hohen Orden vormerken.

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