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Zum Tod von Rauf Denktasch : Unnachgiebiger Anwalt der Zypern-Türken

  • -Aktualisiert am
Rauf Denktasch 1924 - 2012

Rauf Denktasch 1924 - 2012 Bild: dpa

Der frühere Volksgruppenführer der türkischen Zyprer, Rauf Denktasch, ist tot. Denktasch war von 1976 bis 2005 Präsident der türkischen Inselhälfte und strikter Gegner einer Wiedervereinigung.

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          Zu den schönsten Orten auf Zypern, der vielgepriesenen Insel der Aphrodite, gehört das westlich von Limassol gelegene Paphos mit seinen antiken Ruinen und Mosaiken. Malerisch schmiegt sich die Uferstraße an der Bucht entlang, die von einem alten türkischen Kastell und einigen Straßencafés beherrscht wird. Von dort aus wächst das Städtchen in das Land hinein, bis es, ein wenig oberhalb, den Ort Ktima erreicht. Auch in Ktima erinnert eine Moschee daran, dass früher hier Türken lebten.

          Aus Paphos, das türkisch Baf genannt wird, stammte Rauf Raif Denktasch, der bekannteste Führer der Zypern-Türken, der jetzt im Alter von 87 Jahren gestoren ist. Am 27. Januar 1924 war er in der Kreisstadt als Sohn des Richters M. Raif Bey geboren worden. Seit Jahrzehnten hatte er seinen Heimatort nicht wiedergesehen, so wie es umgekehrt auch zahllosen griechischen Zyprern ergangen ist, die aus dem Norden der Insel stammen. Dort, im seit 1974 von türkischen Truppen besetzten Norden, hatte Denktasch bis vor wenigen Jahren als kleiner König und „Baba“ geherrscht, als unumstrittener Herr über ein staatliches Gebilde, das sich 1983 einseitig zur „Türkischen Republik Nord-Zypern“ erklärt hatte, aber von keiner Regierung der Welt, der türkischen in Ankara ausgenommen, anerkannt worden war.

          Schon viele Jahre vor der Unabhängigkeit der Inselrepublik von Großbritannien im Jahre 1960 hatte der - unter anderem in London ausgebildete - Jurist sich für die Belange seiner Volksgruppe in die Bresche geschlagen. Zeitweise tat er dies auch mit der Feder, als Herausgeber etwa der Wochenschrift „Halkin Sesi“ („Volksstimme)“, vor allem jedoch als Politiker. In den sechziger Jahren stieg er zur rechten Hand von Fazil Küçük auf, dem damaligen Führer der türkischen Volksgruppe. 1963 war es zu schweren Zusammenstößen zwischen Zypern-Griechen und -Türken gekommen, da unter den Griechen die Idee der „Enosis“, des Anschlusses der Insel an das griechische „Mutterland“, noch besonders populär war. Nach einer scharfen Rede vor den Vereinten Nationen 1964 erhielt Denktasch vorübergehend Einreiseverbot. Es wurde erst 1968 aufgehoben. Denktasch, ein kleiner, von ungeheuren Energien getriebener Mann, setzte sein Engagement zugunsten seiner Landsleute unbeirrt fort, was 1974 in der Teilung (Taksim) der Insel gipfelte.

          Trotz mancher Bemühungen, an denen auch Denktasch beteiligt war, hatte sich viele Jahre lang nichts bewegt, Zypern blieb ebenso geteilt wie seine Hauptstadt Nikosia. Mit Hilfe der türkischen Truppen festigte Denktasch im Norden seine Position, zumal er auch - mit der Zustimmung der Regierung in Ankara - viele tausend Siedler vom türkischen Festland auf die Insel brachte, die dann bei den Wahlen prompt zu seinen Gunsten stimmten.

          Doch dies allein erklärte seine Stellung nicht. Denktasch war geschickt und verfügte auch bei jenen Zypern-Türken, die nicht dem oppositionellen Özker Özgür, später dann Mehmet Ali Talat (der von 2055 bis 2010 ein sehr viel milder gestimmter Regierungschef war) zuneigten, über einen großen Anhang. Die langewährende Unterstützung durch Ankara kam hinzu. Manche seiner Landsleute (und die Griechen sowieso) warfen ihm vor, er habe durch das Ansiedeln armer Anatolier das geistige Klima der türkischen Zyprioten verändert und den islamischen Fundamentalismus gefördert.

          Dem langjährigen Präsidenten von ganz Zypern, Glafkos Klerides, einem Mann, der Denktasch seit früher Jugend gut kannte, gelang es ebenso wenig wie seinem Vorgänger Vassilou oder dessen Vorgänger Kyprianou, Denktaschs Ängste vor neuen Übergriffen der griechischen Seite zu besänftigen. In den neunziger Jahren erhielt er Unterstützung vom ein Jahr regierenden türkischen Ministerpräsidenten Erbakan, einem Islamisten, der schon 1974 am liebsten die gesamte Insel an die Türkei angeschlossen hätte. Er lehnte Vorschläge über vertrauensbildende Maßnahmen und über die Schaffung eines föderativen Staates, die unter anderem vom Generalsekretär der Vereinten Nationen entwickelt worden waren, nicht zuletzt auch deshalb ab, weil er sich in seiner Position als „Präsident“ so unwohl nicht fühlte. Mit dem langjährigen Ministerpräsidenten und Staatspräsidenten der Türkei, Süleyman Demirel, mit dem er das konservative Denken teilte, war Denktasch befreundet.

          Zuletzt hatte Denktasch, vor allem wegen des Drucks aus Ankara, aber auch unter dem Druck der EU-Kandidatur Zyperns, ein wenig Entgegenkommen gegenüber dem Süden gezeigt, so dass man von einem gewissen Tauwetter auf der Insel sprach. Auch viele Zyperntürken kündigten ihm aber zuletzt die Gefolgschaft. Seit Dezember 2001 hatte sich eine erhebliche Auflockerung des Klimas zwischen den beiden Volksgruppenführern gezeigt. Dies war auch das Ergebnis eines gewissen atmosphärischen wie politischen Wandels in den beiden Hauptstädten Athen und Ankara. Der Plan der Vereinten Nationen, Zypern zu vereinigen, scheiterte 2004 daran, dass diesmal die Zyperngriechen unter ihrem damaligen Präsidenten Papadopoulos im Referendum mit Nein stimmten. Die Türken sagten Ja - gegen die Auffassung Denktaschs, der zuletzt mit seinen Anhängern isoliert blieb und sein Amt bei den Wahlen an Talat abgeben musste. Zuletzt näherte sich Denktasch jenen türkischen Nationalisten wieder an, die in der Türkei für aggressive antieuropäische Strömungen stehen.

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