Gewalt gegen Demonstranten : Zahl der Toten in Sudan steigt auf 60
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Soldaten am Montag vor dem Militärhauptquartier in Khartum Bild: AFP
Die sudanesische Armee hat am Montag in Khartum gewaltsam ein Protestcamp von Tausenden Demonstranten geräumt, die seit Wochen eine zivile Regierung fordern. Der UN-Sicherheitsrat übt nun Kritik – aber nur verhalten.
Bei der jüngsten Gewalt in Sudan sind nach Angaben von oppositionsnahen Ärzten 60 Menschen ums Leben gekommen, mehr als 300 Menschen sollen verletzt worden sein. Zuvor war von 35 Toten die Rede, nachdem die Sicherheitskräfte vor zwei Tagen ein Protestcamp gestürmt hatten. Seit dem Sturz von Präsident Omar al Bashir versuchen sich der regierende Militärrat und die Opposition auf das weitere Vorgehen zu verständigen.
Die Gewalt des Militärs gegen die zivile Opposition ist auf verhaltene Kritik der Vereinten Nationen gestoßen. Der Sicherheitsrat ließ sich am Dienstagabend (Ortszeit) zwar in einer Sondersitzung über die Lage informieren, konnte sich aber nicht zu einer gemeinsamen Erklärung aller Mitglieder durchringen. Das lag unter anderem am Widerstand Chinas, Russlands und Kuweits, wie die Deutsche Presse-Agentur aus Diplomatenkreisen erfuhr. Stattdessen verurteilten acht derzeitige und frühere EU-Mitglieder im UN-Sicherheitsrat in einer gemeinsamen Erklärung die Gewalt von Sicherheitskräften gegen Zivilisten.
Forderung nach sofortigem Ende der Gewalt
„Diese Angriffe gefährden den wichtigen Übergangsprozess“, hieß es in der am Dienstagabend (Ortszeit) in New York vorgelegten Erklärung. Das Papier fordert ein sofortiges Ende der Gewalt. Der Erklärung der fünf derzeitigen EU-Mitglieder im Sicherheitsrat – Belgien, Frankreich, Deutschland, Polen und Großbritannien – schlossen sich die vorherigen Sicherheitsratsmitglieder Italien, Schweden und Niederlande an. Zuvor hatte der Sondergesandte Nicholas Haysom die 15 Mitglieder hinter verschlossenen Türen in New York über die Lage in dem afrikanischen Land informiert.
Die Militärführung in Sudan ließ Demonstrationen niederschlagen, dann kündigte sie alle Vereinbarungen mit der zivilen Opposition für eine friedliche Machtübergabe auf. Stattdessen solle innerhalb von sieben Monaten gewählt werden, teilte der militärische Übergangsrat am Dienstag mit. Zuvor war die Rede von neun Monaten. Angesichts der innenpolitischen Krise warnen Fachleute vor Spaltungen innerhalb der Sicherheitsorgane, weiterer Gewalt bis hin zum Bürgerkrieg sowie der Einflussnahme mächtiger regionaler Akteure.
Sicherheitskräfte hatten am Montag gewaltsam eine Sitzblockade im Zentrum Khartums aufgelöst, die zum Symbol der Revolution in Sudan geworden war. Mit Tränengas und scharfer Munition gingen sie gegen Demonstranten vor, wie Augenzeugen, Ärzte und Oppositionsvertreter berichteten.
Monatelange Massenproteste und Putsch
Die Opposition rief zu zivilem Ungehorsam und friedlichen Protesten auf, international hagelte es Kritik. Die Regierungen der Vereinigten Staaten, Norwegens und Großbritanniens veröffentlichten eine gemeinsame Stellungnahmen, in der sie das Verhalten der sudanesischen Militärführung verurteilen. „Indem sie diese Angriffe befohlen hat, hat die Militärführung den Transformationsprozess und den Frieden in Sudan aufs Spiel gesetzt“, heißt es in dem Statement der Troika.
Die drei Länder verlangten ferner, dass alle mit der Opposition getroffenen Vereinbarungen, insbesondere zur Bildung einer zivilen Übergangsregierung, eingehalten werden sollen. „Das Volk des Sudans verdient einen von Zivilpersonen geleiteten, geordneten Übergang, der die Voraussetzungen für freie und faire Wahlen schaffen kann, statt eiliger Wahlen, die von den Sicherheitskräften verordnet werden“, heißt es in dem Papier.
Nach drei Jahrzehnten an der Macht war der sudanesische Präsident Omar al Baschir im April von den Streitkräften gestürzt worden. Dem Putsch waren monatelange Massenproteste vorausgegangen. Der große Flächenstaat im Nordosten Afrikas mit 41 Millionen Einwohnern gehört zu den 25 ärmsten Ländern der Welt und steckt in einer schweren Wirtschaftskrise, was die Proteste ausgelöst hatte. Seit dem Putsch rangen das Militär und die Opposition um die Bildung einer Übergangsregierung. Die Gespräche brachen kürzlich zusammen, da sich beide Seiten nicht einigen konnten, wer die Regierung leiten sollte.
Für die Unterdrückung der Proteste am Montag machten viele nicht die Armee, sondern die berüchtigten Schnellen Einsatztruppen (RSF) verantwortlich. Die paramilitärische Truppe wird von Mohammed Hamdan Daglu (genannt Hemeti) geleitet, dem zweiten Mann im Übergangsrat.