Die Familie des Präsidenten : Putins geheimnisvolle Töchter
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Der junge Wladimir Putin mit Frau und Kind. Bild: Imago
Um seine Kinder hat Russlands Präsident stets ein Geheimnis gemacht. Nun soll die jüngere Tochter in Moskau entdeckt worden sein - im Rat der staatlichen Universität und als Rock’n’Roll-Tänzerin.
Das Privatleben von Präsident Wladimir Putin und seinen Familienangehörigen ist für russische Medien tabu. Jedenfalls solange der Kreml die Enthüllung nicht billigt. Im Jahr 2008 berichtete die Boulevardzeitung „Moskowskij Korrespondent“ über eine „Hochzeit des Jahrhunderts“ zwischen Putin und Alina Kabajewa, einer erfolgreichen Athletin der Rhythmischen Sportgymnastik und Duma-Abgeordneten der Regierungspartei „Einiges Russland“. Von seiner Frau Ljudmila habe sich Putin scheiden lassen, hieß es. Putin und Kabajewa dementierten, die Zeitung stellte ihr Erscheinen ein. Erst 2013 gaben Putin und seine Frau ihre Trennung bekannt, im vergangenen Jahr folgte die Scheidung. Ljudmila Putina ist nach unbestätigten Berichten mittlerweile Äbtissin eines Klosters. Kabajewa steht seit September 2014 an der Spitze der einflussreichen Nationalen Mediengruppe.
Seit Donnerstag machen nun Berichte die Runde, die jüngere der beiden Töchter des Präsidenten, Jekaterina, sei „gefunden“ worden: an der Spitze einer Organisation namens Innopraktika, die an der Entwicklung eines Innovationszentrums der Staatlichen Moskauer Universität (MGU) beteiligt sein soll. Das Projekt soll ein Volumen von gut 1,4 Milliarden Euro haben. Die Enthüllung illustriert den Neofeudalismus, den der Kreis um Putin in Russland etabliert hat - und muss dem Präsidenten doch nicht zum Nachteil gereichen.
Über Putins zwei Töchter war bisher wenig bekannt. Marija wurde 1985 in Leningrad geboren. Jekaterina, auch Katerina genannt, kam im Jahr darauf in Dresden zur Welt, wo ihr Vater als KGB-Agent stationiert war. Beide Töchter besuchten die Universität von Sankt Petersburg. Über Marija, die Biologie studierte, hieß es, sie lebe mit ihrem niederländischen Freund nahe Den Haag in einem Luxusapartment. Sie soll es verlassen haben, nachdem der Bürgermeister von Hilversum nach dem Abschuss von Flug MH17 über der Ostukraine ihre Ausweisung gefordert hatte, um Putin zu bestrafen (er entschuldigte sich später dafür). Katerina studierte Orientalistik und Japanisch.
Die Enthüllung über Putins jüngere Tochter begann am Donnerstag mit einem Bericht der Wirtschaftszeitung „RBK daily“ über das Projekt der MGU. Beteiligt sind auch die Staatsunternehmen Rosneft (Öl), Rosatom (Nuklearenergie) und Rostech (Wehrtechnik). Unter anderem Rosneft, an dessen Spitze der Putin-Vertraute Igor Setschin steht, sei mit Innopraktika auch über andere Projekte verbunden. Über Innopraktika, das geleitet wird von der 28 Jahre alten Katerina Wladimirowna Tichonowa, die auch Mitglied des akademischen Rats der MGU ist, sei in der akademischen Welt wenig bekannt, heißt es in dem Bericht. Doch habe Tichonowa vor kurzem das Wirtschaftsforum in Davos besucht, gemeinsam mit Kirill Schamalow vom Petrochemie-Konzern Sibur. Er ist Sohn von Putins Petersburger Weggefährten Nikolaj Schamalow, der unter anderem Aktionär der Bank Rossija ist, die als Erbe von Putins KGB-Seilschaften gilt. Ein Bild zeigte die Führungsfiguren der Universität, die sich ehrfurchtsvoll hinter der zierlichen Tichonowa versammelten.
Kurz nach der Veröffentlichung des „RBK“-Artikels stellte der russische Enthüllungsjournalist Oleg Kaschin in seinem Blog einen Artikel mit der Überschrift „Sie“ online, in dem es heißt, Tichonowa sei die jüngere Tochter Putins - und neben ihrer Tätigkeit bei Innopraktika noch Vizepräsidentin der World Rock’n’Roll Confederation. Als Beleg fügte er die Anmeldung zu einem Tanzwettbewerb an: Das Geburtsdatum ist identisch mit dem von Putins jüngerer Tochter. Der Nachname Tichonowa soll eine Referenz an die Großmutter mütterlicherseits sein. Im Internet sind viele Videofilme zu sehen, in denen sie mit ihrem Partner Iwan Klimow tanzt. Der Journalist Kaschin, der von Unbekannten 2010 in Moskau schwer verletzt wurde, lebt nun in Genf.
Die nicht im Parlament vertretene Opposition berichtet immer wieder über Fälle, in denen die Kinder von Putins Weggefährten aus den Jahren im KGB und in der Stadtverwaltung seiner Heimatstadt - wie Tichonowas Reisegefährte in Davos - einen fabelhaften Aufstieg in Russlands Staatsunternehmen machen. Der Politiker Boris Nemzow führte Putins Töchter im vergangenen Jahr in einer Liste von Kindern von Männern aus der Elite, die - der offiziellen Rhetorik von Vaterlandsliebe zum Trotz - im Ausland gelebt, studiert oder gearbeitet hätten. Im November sagte Putin in einem Interview, seine beiden Töchter lebten in Moskau und man sehe sich ein- oder zweimal im Monat. Sein Sprecher sagte nun zu der Enthüllung, er wisse nicht, wer Tichonowa sei, viele junge Frauen seien als Töchter Putins ausgegeben worden. Eine Quelle in der Führung der MGU bestätigte der Nachrichtenagentur Reuters indes, dass Tichonowa Putins Tochter sei. Man mag sogar im Gesicht der jungen Frau eine Familienähnlichkeit erkennen.
Trotz des Ruchs von Korruption, den die Enthüllungen mit sich bringen, muss die Geschichte von der „aufgetauchten“ Tochter, die auch am Freitag kaum ein russisches Medium aufgriff, Putin nicht schaden. Denn immerhin lebt sie, anders als andere privilegierte Kinder, in Russland, widmet sich überdies der intellektuellen Zukunft des Landes. Da darf auch der Tanz freizügig sein.