Italien und die Seenotrettung : Vorübergehend berechenbar
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Samstagabend in Lampedusa: 82 Gerettete wurden an Land gebracht Bild: Reuters
Die neue Regierung in Italien dreht im Streit über private Seenotretter bei. Doch das Grundproblem des Dubliner Übereinkommens bleibt bestehen. Regierungschef Conte verlangt Reformen.
Matteo Salvini hat während seiner gut 14 Monate währenden Amtszeit die meisten Treffen der EU-Innenminister geschwänzt. Der Italiener reiste lieber als Dauerwahlkämpfer durch sein Land. Beim informellen Ministertreffen vom 18. Juli in Helsinki war er aber dabei. Es sollte das letzte EU-Treffen sein, an dem ein Vertreter der von Giuseppe Conte geführten Koalitionsregierung von Salvinis rechtsnationalistischer Lega und der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung unter Luigi Di Maio teilnahm.
Salvini hatte in Helsinki wesentlichen Anteil daran, dass keine Einigung darüber erzielt wurde, wie mit Bootsflüchtlingen im Mittelmeer im Allgemeinen und mit jenen auf privaten Rettungsschiffen im Besonderen umgegangen werden soll. Er wies die von Frankreich und Deutschland vorgeschlagene Regelung zurück, wonach private Rettungsschiffe, die im zentralen Mittelmeer Migranten aufgenommen haben, zunächst routinemäßig in maltesische und italienische Häfen einlaufen sollten – denn Malta sowie die italienischen Inseln Lampedusa und Sizilien liegen nun einmal am nächsten. Salvini aber bestand darauf, dass private Hilfsschiffe mit Migranten an Bord auch spanische oder französische Häfen anlaufen. „Es ist nicht möglich, dass alle nach Italien oder Malta kommen“, sagte Salvini in Helsinki. Vor allem äußerte er die Befürchtung, dass nur Flüchtlinge mit einer realen Aussicht auf Asyl in der EU auf andere Länder verteilt würden. Wirtschaftsflüchtlinge aber, so Salvinis Sorge, würden in den Erstaufnahmeländern bleiben, die sie kaum abschieben könnten, weil die Herkunftsländer faktisch die Rücknahme verweigerten.
Deutsch-französischen Vorschlag von neuer Regierung akzeptiert
Salvini hat sich inzwischen auf die Oppositionsbank katapultiert. Die neue Koalition von Fünf Sternen und Sozialdemokraten, ebenfalls vom parteilosen Juraprofessor Conte geführt, akzeptiert nun ebenso wie Malta den deutsch-französischen Vorschlag. Wie italienische Medien übereinstimmend berichten, soll das „Temporary predictive reallocation program“ beim nächsten Treffen einiger europäischer Innenminister am 23. September in Valletta vereinbart werden. Neben Gastgeber Malta und Italien werden, wie schon in Helsinki, Deutschland, Frankreich, die finnische Ratspräsidentschaft und die EU-Kommission vertreten sein. Das „Provisorische Programm zur vorhersehbaren Umverteilung“ geretteter Bootsflüchtlinge soll dann beim regulären Rat der EU-Innenminister Anfang Oktober in Luxemburg von allen Mitgliedstaaten beschlossen werden.
Private Hilfsschiffe mit aus Seenot geretteten Bootsflüchtlingen sollen dann ohne Verzögerung in den nächstgelegenen maltesischen oder italienischen Hafen einlaufen. Vor allem Berlin ist daran gelegen, dass es keine „Hängepartien“ mehr gibt wie zuletzt in den Fällen „Sea-Watch 3“, „Alan Kurdi“ und „Eleonore“: Die von deutschen Hilfsorganisationen betriebenen oder unter deutscher Flagge fahrenden Schiffe durften weder in maltesische noch italienische Hoheitsgewässer oder Häfen einlaufen und waren deshalb tage- oder gar wochenlang auf See blockiert.