Wie China seine Bürger erzieht
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Einkaufen leicht gemacht: In einem Supermarkt in Hongkong hängt Werbung für die bargeldlose Bezahlmethode Alipay Bild: Bloomberg
Mithilfe großer Datenmengen entsteht in China gerade eine neue Art zu regieren: Wohlverhalten wird belohnt, Regelabweichungen werden bestraft. Ziel: die Schaffung einer „ehrlicheren“ Gesellschaft.
Lin Junyue hat viele Briefe geschrieben, an amerikanische Wissenschaftler und britische Fachzeitschriften. Der Ökonomieprofessor wollte sie alle teilhaben lassen an dem großen Gesellschaftsexperiment, das derzeit sein Forscherleben bestimmt. Ein Experiment, das es so noch nicht gegeben hat. Lin Junyue glaubt, dass die Welt davon viel lernen könnte. Aber die westlichen Wissenschaftler haben nicht geantwortet. Und wenn doch, haben sie dem Chinesen Vorwürfe gemacht. „Manche meiner ausländischen Freunde sagen, ich würde der Regierung helfen, ein mächtiges Instrument zur Kontrolle der Gesellschaft zu entwickeln“, sagt der Ökonom. Er selbst ist sich keiner Schuld bewusst. Schließlich sei er nur ein Forscher, kein Politiker. Sein Beitrag sei rein technischer Natur. „Für mich ist es nur ein soziales Experiment“, sagt er und lacht vergnügt. „Ich will einfach nur die Instrumente überall ausprobieren. Die Regierung mag andere Vorstellungen haben.“
Mit Hilfe von Lin und anderen Fachleuten entsteht in China gerade eine neue Art zu regieren. Es geht dabei um große Datenmengen und um die Messbarkeit von Verhalten. Es geht darum, Wohlverhalten zu belohnen und Regelabweichungen zu bestrafen. Das Volk soll erzogen werden. Das erklärte Ziel ist nicht mehr und nicht weniger als die Schaffung einer „ehrlicheren“ Gesellschaft.
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