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Scholz und Selenskyj : Für Frieden in der Ukraine sind westliche Garantien nötig

Garantien für den Frieden: Der ukrainische Präsident Selenskyj schüttelt die Hand von Bundeskanzler Scholz. Bild: AFP

Die Ukraine will Sicherheitszusagen von ihren Verbündeten, und Olaf Scholz sagt: Darüber sprechen wir. Aber wenn aus Worten Wirklichkeit werden soll, sind belastbare Verpflichtungen ein Muss.

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          Olaf Scholz hat in seiner Regierungserklärung zum Jahrestag der Zeitenwende wichtige Dinge gesagt und wichtige Dinge ausgelassen. Bestätigt hat er vor allem, dass Deutschland gerade mit Kiew über künftige „Sicherheitszusagen“ spricht. Er hat auch erklärt, warum: Wladimir Putin möchte eben nicht nur begrenzte Teile der Ukraine besetzen. Er will sie, sagt Scholz, „als Nation zerstören“.

          An Sicherheitsgarantien als Voraussetzung eines künftigen Friedens führt deshalb kein Weg vorbei. Weil Putin die Ukraine von der Karte tilgen will, hat er Waffenruhen mit ihr nie respektiert. Ein Friede kann deshalb nur halten, wenn ein Zustand eintritt, in dem er ihn nicht mehr einfach brechen kann.

          Zu diesem Zustand gibt es zwei Wege. Der erste wäre schrecklich: Russland müsste im Felde eine so verlustreiche Niederlage erleiden, dass es danach niemanden mehr angreifen könnte. Dieses Szenario würde allerdings Hunderttausende Leben kosten. Es würde Russland außerdem so tief erschüttern, dass Putin stürzen könnte. Dann würde tatsächlich ein Atomkrieg drohen. Deshalb darf es so nicht kommen.

          Im zweiten Szenario geht es nicht in erster Linie darum, Russland zu schwächen. Vielmehr muss die Ukraine zuerst durch Waffen so stark gemacht werden, dass Putin von sich aus glaubt, es sei wieder einmal Zeit für eine seiner üblichen Pausen. Und wenn die Waffen dann ruhen, müssten starke Verbündete dafür sorgen, dass das auch so bleibt. Dafür sind dann die Sicherheitszusagen nötig, von denen der Kanzler spricht.

          Auf das Konkrete kommt es an

          Hier aber kommt eine böse Erinnerung ins Spiel: Nach dem Ende der Sowjetunion hatte die Ukraine einen Teil von deren Atomwaffen geerbt. Sie verzichtete darauf und erhielt dafür im „Budapester Memorandum“ Garantien von London, Moskau und Washington. Weil das Memorandum aber keine konkreten Verpflichtungen enthielt, hat Putin es nie ernst genommen. Am Ende hat er es vom Tisch gewischt und die Ukraine überfallen.

          Deshalb müssen Garantien diesmal materiell gesichert werden, und Scholz hat schon angedeutet, wie das gehen könnte: Seine Erklärung verweist auf Vorschläge des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj. Zu ihnen gehört ein kollektives Beistandssystem, das die Ukraine den „Kiewer Sicherheitspakt“ nennt. Es sieht ein Netz von verbundenen Schutzzusagen wichtiger westlicher Länder vor. Anders als das Budapester Memorandum sollen diese durch militärische, technische und finanzielle Abschreckungsmittel reale Überzeugungskraft entfalten.

          Und hier beginnt das, was Scholz nicht gesagt hat. Garantien können nur wirksam sein, wenn Deutschland, die USA und andere Länder konkrete Beistandsverpflichtungen eingehen. Damit ihnen Putin ihre Entschlossenheit zum Schutz des Friedens auch glaubt, müssen sie Vorbereitungen treffen. Sie müssen Materiallager in der Ukraine anlegen, sie müssen Straßen und Bahnstrecken für schnellen Nachschub ausbauen. Vor allem müssen sie Soldaten bereithalten – wenn nicht in der Ukraine selbst, wie führende deutsche Fachleute das fordern, dann doch in verbündeten Ländern nebenan, in Rumänien oder Polen.

          Scholz hat jetzt den ersten Schritt getan. Er spricht von Sicherheitszusagen, und ohne geht es nicht. Aber wenn Putin ihn ernst nehmen soll, muss er gemeinsam mit starken Verbündeten jetzt sehr bald konkret werden.

          Konrad Schuller
          Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

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