England als Exil : Putins Feinde und Freunde in London
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Abramowitsch und Usmanow gelten als eng mit dem Kreml verbunden. Sie sollen gemeinsam über ein Vermögen von mehr als 30 Milliarden Euro verfügen. Ihre Investitionen sind von der Regierung gern gesehen, zumal sie auch nationalen Ikonen zugutekommen. Abramowitsch kaufte den Londoner Fußballtraditionsclub Chelsea und entwickelte ihn mit einigem Einsatz. Usmanows Geld steckt im Lokalwettbewerber Arsenal. Beide Oligarchen bewohnen Londoner Immobilien, die zusammen wohl an die hundert Millionen Euro wert sind. Zugleich engagieren sie sich in der Kunstwelt.
Die politische Klasse in London zeigte bislang kaum Berührungsängste mit den reichen Neubürgern. Der russische Geldadel spendet seit Jahren Geld an die Parteien, insbesondere an die Tories. Der Unternehmer Oleg Deripaska, der finanziell in derselben Liga wie Abramowitsch und Usmanow spielt, durfte schon manchen ranghohen Gast auf seiner Yacht bewirten, darunter den früheren konservativen Schatzkanzler George Osborne und den ehemaligen Labour-Minister und EU-Kommissar Lord Mandelson, mit dessen Beratungsfirma der Russe Deripaska auch geschäftlich verbunden ist. Unlängst wählte Deripaska die Londoner City für den Börsengang seiner Firma „En+ Group“, die unter anderem die russische Rüstungsindustrie mit Aluminium beliefert und mit einer Staatsbank zusammenarbeitet, die auf der Liste amerikanischer Sanktionsziele steht. Der britische Geheimdienst grummelte, und Abgeordnete stellten im Parlament Fragen nach der nationalen Sicherheit. Aber das konnte Deripaska nichts anhaben.
In teuren Geschäften zählen sie zu den besten Kunden
Selbst aktive Moskauer Spitzenpolitiker haben London für sich entdeckt. Igor Schuwalow, der stellvertretende russische Ministerpräsident, erwarb laut Recherchen des Oppositionspolitikers Alexej Nawalnyj ein 500-Quadratmeter-Apartment im Londoner Regierungsviertel. Schon die britische Grunderwerbsteuer sei achtmal höher als das Jahreseinkommen, das Schuwalow im Kaufjahr gegenüber den Steuerbehörden angegeben habe, rechnete Transparency International unlängst vor.
Nicht nur reiche Russen, auch reiche Russinnen haben Freude an den britischen Annehmlichkeiten. In den teuren Geschäften rund um die Bond Street gehören sie zu den besten Kunden. Auf den Vernissagen in den Galerien von Mayfair wimmelt es von ihnen. Und bei den Gesellschaftsereignissen der traditionellen „Season“ – beim Pferderennen in Ascot, beim Tennisturnier von Wimbledon oder bei der „Last Night of the Proms“ – gehören sie stets zu den am teuersten gekleideten Besucherinnen. Manche gönnen sich auch besondere Höhepunkte. Schuwalows Ehefrau tauchte beim Corgi-Wettbewerb in Windsor auf, wobei sie ihre Zuchthunde mit dem Privatjet einfliegen ließ. Und Lubow Tschernukin, die Frau des früheren russischen Kabinettmitglieds Wladimir Tschernukin, machte Schlagzeilen, als sie vor vier Jahren auf einer Spendenveranstaltung der Tories 200.000 Euro für ein Tennismatch bezahlte. Die Gegner hießen Boris Johnson, damals Bürgermeister in London, und David Cameron, damals britischer Premierminister.
In Westminster zweifeln viele daran, dass der gerade zur Schau gestellte Zorn der Regierung auf Putin dessen reiche Gefährten in London wirklich schmerzhaft treffen wird. Theresa May, die Premierministerin, habe schon als Innenministerin nichts von Maßnahmen gegen die Oligarchen wissen wollen, berichtet ein Labour-Abgeordneter, der sich seit Jahren mit den britisch-russischen Beziehungen beschäftigt. Die Konservativen wollten „London als Anziehungspunkt für das große internationale Geld nicht gefährden“, klagt er. Das allerdings, sollte man anfügen, war nicht anders, als die Labour Party noch in Westminster regierte.