Türkische Hilfe für Libyen : Angst vor einem zweiten Syrien
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Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei Bild: dpa
Das türkische Parlament hat der Entsendung von Soldaten nach Libyen zugestimmt. Die Opposition fürchtet, das Land werde in einen Bürgerkrieg verwickelt – und müsse mit einer neuen Flüchtlingswelle rechnen. Kritik kommt aus Moskau und Washington.
Das türkische Parlament hat mit den Stimmen der Regierungsallianz von AKP und MHP der Entsendung von militärischem Personal, der Lieferung von Waffen sowie der logistischen Unterstützung der Streitkräfte der libyschen Regierung von Ministerpräsident Fajez Sarradsch zugestimmt. In einer kontrovers geführten Debatte haben im Parlament die Oppositionsparteien CHP und Iyi das Ermächtigungsgesetz abgelehnt.
In Moskau und Washington ist der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan mit seinem Plan, Truppen in das nordafrikanische Land zu entsenden, dagegen auf Kritik gestoßen. Bei einem Telefonat mit Erdogan habe Amerikas Präsident Donald Trump darauf hingewiesen, dass ausländische Einmischung die Lage in Libyen komplizierter mache, hieß es aus dem Weißen Haus. Die Kritik aus Russland ging in eine ähnliche Richtung, wurde aber deutlicher. Wie schon in Syrien unterstützen die Türkei und Russland in Libyen unterschiedliche Parteien. Die Entscheidung des türkischen Parlaments sei alarmierend, sagte Außenpolitiker Leonid Sluzki der Agentur Interfax.
Zuvor hatte der türkische Parlamentssprecher Mustafa Sentop die Abgeordneten für die außerordentliche Sitzung vorzeitig aus den Neujahrsferien zurückbeordert. Denn Sarradsch, den die Vereinten Nationen als legitimen Regierungschef anerkennen, hatte die Türkei am 27. Dezember offiziell um militärischen Beistand gebeten. Die Ermächtigung gilt für den Zeitraum von einem Jahr. In dieser Zeit könne die Regierung den Umfang und die Dauer einer Entsendung durch die Türkei festlegen, heißt es in dem Gesetz.
AKP setzte offene Abstimmung durch
Die AKP hatte – gegen einen Antrag der Opposition – eine offene Abstimmung zu dem Gesetz durchgesetzt. Zuvor hatte die CHP eine Debatte hinter verschlossenen Türen und eine geheime Abstimmung beantragt. Damit hoffte sie, AKP-Dissidenten eine Gelegenheit zu verschaffen, um mit Nein zu stimmen. Aus der AKP heraus hatte am 13. Dezember der frühere Ministerpräsident Ahmet Davutoglu eine neue Partei gegründet. Noch im Januar will auch der frühere Wirtschafts- und Außenminister Ali Babacan eine neue Partei vorstellen.
Präsident Tayyip Erdogan begründete in seiner Neujahrsansprache die beiden Abkommen mit Libyen vom 27. November damit, dass sie „Projekte, die darauf abzielten, die Türkei vollständig aus dem Mittelmeerraum auszuschließen“, vereitelten. Damit bezog er sich auf die laufende Exploration und Ausbeutung von Erdgasvorkommen im östlichen Mittelmeer, an denen die Türkei nicht beteiligt ist.
Das maritime Abkommen, das Erdogan und der libysche Ministerpräsident Fajez Sarradsch unterzeichnet haben, legt einseitig einen neuen Verlauf der Festlandsockel im Mittelmeer fest, womit der Türkei auf Kosten Griechenlands und Zyperns einen Anteil an den Erdgasvorkommen zugeschlagen würde. Kein anderer Anrainer des Mittelmeers erkennt jedoch das Abkommen an. Auch das Parlament im ostlibyschen Tobruk, das auf der Seite des Rebellengenerals Chalifa Haftar steht, lehnt das Abkommen ab. Mit einem Sturz von Sarradsch würde das maritime Abkommen zu Makulatur.
Haftar kündigte den „finalen Angriff“ auf Tripolis an
Ergänzt wird es daher um ein militärisches Beistandsabkommen, mit dem die Türkei den libyschen Ministerpräsidenten Fajez Sarradsch vor einem Sturz zu bewahren hofft. Denn Haftar kontrolliert etwa 80 Prozent des Landes und auch die Zugänge in die Hauptstadt Tripolis zu Land. Seine Truppen stehen angeblich zehn Kilometer vor dem Stadtzentrum. Am 12. Dezember hatte er den „finalen Angriff“ auf Tripolis angekündigt.
Vizepräsident Fuat Oktay sagte daher der Nachrichtenagentur Anadolu am Mittwoch, die Ermächtigung zur Entsendung von Truppen nach Libyen sei in erster Linie eine politische Botschaft an Haftar. Sollte der diese verstehen, gebe es Hoffnung, dass es nicht zu einer Entsendung komme, so Erdogans Stellvertreter als Präsident. Verteidigungsminister Hulusi Akar erklärte, die Vorbereitungen zur Entsendung seien abgeschlossen. Sie könne unmittelbar nach der Zustimmung durch das Parlament erfolgen.