Überfälle in Darfur : Von Gewalt erschüttert
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Das Massengrab für sechzig Ermordete im Dorf Masteri in West-Darfur. Bild: AP
Die sudanesische Krisenregion Darfur kommt nicht zur Ruhe. Trotz Lockdown plündern Bewaffnete Dörfer und ermorden die Bewohner. Das weckt schlimme Erinnerungen.
Das Gemetzel dauerte fast zwei Tage. Vor gut einer Woche fielen rund fünfhundert Bewaffnete über das Dorf Masteri im Westen Sudans her. Sie wüteten bis zum Abend des folgenden Tages, ermordeten mehr als sechzig Menschen und verletzten mindestens ebenso viele schwer. Sie zerstörten den Marktplatz und setzten Häuser in Brand. Dann zogen sie ab. Per Hubschrauber wurden einige der Überlebenden später ins Krankenhaus in der rund fünfzig Kilometer entfernten Provinzhauptstadt El Geneina geflogen.
Vor dem Masalit-Sultan-Haus in Masteri demonstriert seither eine Gruppe von rund fünfhundert Menschen gegen die Gewalt. Die Demonstranten gehören zu mehr als 4200 Vertriebenen, die in dem Gebäude untergebracht sind. Der Bürgerkrieg hatte sie gezwungen, ihre Heimatdörfer im Westen von Sudan zu verlassen. Nun möchten sie zurück – doch es ist zu gefährlich. Ihre ermordeten Angehörigen wollen sie nicht bestatten, bevor ihnen Gouvernement und Regierung Schutz garantiert haben.
Lockdown gegen die Gewalt
Seit Wochen eskaliert in der Region Darfur die Gewalt. Das Amt der Vereinten Nationen für die Koordinierung humanitärer Angelegenheiten registrierte allein zwischen dem 19. und 26. Juli in der Nähe der Stadt El Geneina sieben Überfälle, bei denen „Dutzende von Menschen getötet oder verletzt, etliche Dörfer und Häuser niedergebrannt und eine unbestimmte Zahl von Menschen vertrieben wurden“. Am 20. Juli rief der Gouverneur der Provinz deswegen einen kompletten Lockdown aus. Den Menschen von Masteri hat er jedoch nicht geholfen.
Die Opfer der Greuel vom vergangenen Wochenende gehören zur Volksgruppe der Masalit, die ihre Heimat in der Provinz West-Darfur hat, einer von fünf Darfur-Provinzen. Es sind überwiegend sesshafte Bauern, die hier nahe der Grenze zum Tschad siedeln. Zwischen 1884 und 1911 hatten sie sogar ihren eigenen Staat: Dar Masalit genannt, das Haus der Masalit. Später wurde ihr Land dem Vielvölkerstaat Sudan einverleibt. Die arabischen Rindernomaden in der Gegend, mit denen es immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen kommt, nennen sich Baggara. Viele ihrer Vorfahren lebten einst vom Sklavenhandel und züchteten Kamele. Noch immer zählen sich die Baggara zu jener Niltal-Elite, die im fernen Khartum regiert.
Doch nicht nur in West-Darfur spitzt sich die Lage zu. In Nord-Darfur, der Heimat der Zahgawa, wurden Mitte Juli bei der Erstürmung eines Protestcamps in dem Ort Fata Borno mindestens zehn Menschen getötet. Seitdem herrscht in der gesamten Provinz der Notstand. Der Gouverneur wirft den Demonstranten vor, Vertreter der Regierung angegriffen zu haben, diese bezichtigen die Regierung der Unterstützung gewalttätiger Banden. Auch in Süd-Darfur wurden jüngst mindestens zwanzig Menschen getötet, als eine arabische Miliz auf Pferden und Kamelen das Dorf Aboudos überfiel. Nach Angaben des Bürgermeisters Ahmed Nimers hätten sich die Angreifer erst vor kurzem in der Gegend südlich von der Provinzhauptstadt Nyala niedergelassen. Durch die Gewalttaten versuchten sie nun, die dort lebende Bevölkerung zu vertreiben, um das Land selbst nutzen zu können.