Wahlkampf in Italien : Salvini will mehr werden als nur Innenminister
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Der Chef der rechtsnationalen Lega, Matteo Salvini, am Mittwoch auf Lampedusa Bild: Getty Images
Matteo Salvini verspricht auf Lampedusa, die illegale Migration zu stoppen. Der Chef der rechtsnationalen Lega sagt, er wolle wieder Innenminister werden. Doch er erklärt sich auch zu mehr „bereit“.
Der Chef der rechtsnationalen Lega Matteo Salvini hat bei einem Besuch auf der Mittelmeerinsel Lampedusa seinen Anspruch auf die neuerliche Übernahme des italienischen Innenministeriums bekräftigt. Salvini hatte das Innenressort in Rom während der Regierungszeit der Lega mit der linkspopulistischen Fünf-Sterne-Bewegung von Juni 2018 bis September 2019 inne. Zugleich äußerte Salvini die Hoffnung, dass seine Partei bis zur vorgezogenen Parlamentswahl am 25. September die bisher in Umfragen führende postfaschistische Partei Brüder Italiens von Giorgia Meloni noch überflügeln könne. Auf die Frage, ob er in einem solchen Fall bereit sei, auch das das höchste Regierungsamt zu übernehmen, antwortete Salvini: „Dazu bin ich absolut bereit.“
Das Mitte-Rechts-Bündnis aus Brüder Italiens, Lega und der christdemokratischen Forza Italia des früheren Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi geht mit einer kumulierten Wählerzustimmung von 45 Prozent als Favorit in die vorgezogene Wahl in sieben Wochen. Die Brüder Italiens liegen in jüngsten Umfragen mit 24 Prozent Zustimmung derzeit elf Prozentpunkte vor der Lega, für die Forza Italia wollen acht Prozent der Wähler stimmen.
Lega-Chef prognostiziert bis Dezember 100.000 Ankünfte“
Salvini kündigte bei seinem zweitägigen Besuch auf dem südlichsten Außenposten Italiens im Mittelmeer von Donnerstag bis Freitag an, dass die künftige Koalition im Falle der Regierungsübernahme von Mitte-rechts „die Grenzen sichern“ und den Zustrom von Migranten stoppen werde. Italien dürfe seine „Tore nicht weit machen für illegale Einwanderer, die weder vor Krieg noch Verfolgung flüchten“, sagte Salvini. „Lampedusa ist das Eingangstor nach Europa, es kann nicht das Flüchtlingslager Europas sein“, sagte Salvini. Sollte die gegenwärtige Migrationspolitik unter seiner parteilosen Amtsnachfolgerin Luciana Lamorgese nicht geändert werden, „könnten bis Dezember 100.000 Ankünfte registriert werden“, warnte der Lega-Chef. Nach Angaben des Innenministeriums wurden bis Donnerstag 42.465 Migranten verzeichnet, die meisten erreichten das Land über das zentrale Mittelmeer. Im Vergleichszeitraum des Vorjahres waren es 30.315, im Jahre 2020 rund 14.800.
Salvini besuchte auf Lampedusa das Aufnahmezentrum für Migranten, das für 350 Personen ausgelegt ist, aber seit Wochen immer wieder mit bis zu 2000 Menschen überbelegt ist. Fast täglich kommen seit Wochen Dutzende bis Hunderte Migranten mit Schlauchbooten oder Holzbooten auf Lampedusa an. Mehrmals musste in den vergangenen Wochen das Aufnahmelager wegen unhaltbarer Zustände evakuiert werden, die Migranten wurden mit Schiffen der Küstenwache oder kommerziellen Fähren nach Sizilien oder Süditalien gebracht. Aufnahmen von Menschen, die in dem überfüllten Lager auf Matratzen im Freien und inmitten von Abfall lagen, sorgten weithin für Empörung.
Zuwanderung ist laut Umfragen nicht wichtigstes Thema
Solche Zustände seien „eines zivilisierten Landes unwürdig“, sagte Salvini auf Lampedusa. Die scheidende Regierung unter Ministerpräsident Mario Draghi hatte in der vergangenen Woche angekündigt, drei Mal wöchentlich mit einer Sonderfähre Migranten aus dem überfüllten Aufnahmelager von Lampedusa nach Sizilien zu bringen. Salvini warf daraufhin der Regierung vor, das Problem vor seinem Besuch auf Lampedusa verbergen zu wollen. Umfrageergebnisse deuten darauf hin, dass die illegale Migration für die Italiener derzeit nicht zu den wichtigsten Problemen zählt, die ihre Wahlentscheidung beeinflussen werden. Größere Sorgen bereiten den Wählern die starke Inflation und die hohen Energiepreise.
Nach italienischen Medienberichten stellte der frühere Regierungschef Berlusconi seinem Verbündeten Salvini die Villa „Due Palme“ für dessen Aufenthalt auf Lampedusa zur Verfügung. Berlusconi ließ die Villa mit acht Betten und direktem Meerzugang den Angaben zufolge 2015 aufwendig restaurieren, nutzt sie selbst aber äußerst selten.
Unterdessen wurde am Freitag in Tarent in der süditalienischen Region Apulien das Rettungsschiff Geo Barents mit 659 geretteten Bootsmigranten an Bord erwartet. Wie die Hilfsorganisation „Ärzte ohne Grenzen“ am Donnerstag mitteilte, wurde ihr von den Behörden am Donnerstag nach langem Warten auf See schließlich die Erlaubnis erteilt worden, Tarent anzusteuern. Die Organisation beklagte, dass die Migranten auf dem Schiff „fast neun Tage“ hätte ausharren müssen, ehe ihnen nach ihrer Rettung ein sicherer Hafen zugewiesen worden sei.
Dies sei „eine der längsten Blockaden auf See gewesen, die unser Team je erlebt hat“, teilte „Ärzte ohne Grenzen“ mit. „Das darf nicht noch einmal passieren. Die zivilen Seenotretter beklagen seit langem, dass sie mit den geretteten Menschen an Bord oft tagelang warten müssen, bis ihnen die italienischen Behörden einen sicheren Hafen zuteilen. Dies sei für die Menschen, die bei ihrer Überfahrt von Nordafrika Richtung Italien aus hochseeuntüchtigen Booten gerettet wurden, körperlich und seelisch eine Pein.
Am Mittwoch hatten drei Rettungsorganisationen die europäische Politik in einem gemeinsamen Appell aufgefordert, ein staatliches Such- und Rettungsprogramm im zentralen Mittelmeer einzurichten. Derzeit seien die freiwilligen Helfer bei ihren Missionen auf sich allein gestellt. Während der Sommermonaten wagen besonders viele Migranten die gefährliche Überfahrt über die zentrale Mittelmeerroute.