Nationalratswahl : Skandale, Themen, Bündnisse: Der Wahlkampf in Österreich
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Sitz des österreichischen Parlaments in Wien Bild: Picture-Alliance
Am Sonntag wählen die Österreicher einen neuen Nationalrat. Die vorgezogene Wahl verkürzte den Wahlkampf, der dafür aber umso ereignisreicher ausfiel. Ein Überblick.
Warum wurde die Wahl des Nationalrats vorgezogen?
Die aktuelle Wahlperiode des 26. Nationalrats endet eigentlich erst im Herbst 2022. Neuwahlen wurden im Mai nach einem Bruch der sogenannten türkis-blauen Regierungskoalition angesetzt. Das Bündnis zwischen der konservativen Österreichischen Volkspartei (ÖVP) des damaligen Bundeskanzlers Sebastian Kurz und der rechtspopulistischen Freiheitlichen Partei Österreichs (FPÖ) scheiterte nicht an Inhalten oder fehlender Harmonie zwischen den Partnern. Auch die immer wieder aufgetretenen „Einzelfälle“ am äußerst rechten Rand der FPÖ brachten die Zusammenarbeit nicht ins Wanken. Das Aus am 17. Mai kam durch die Veröffentlichung des bereits im Sommer 2017 heimlich aufgenommenen Ibiza-Videos.
„Der Spiegel“ und die „Süddeutsche Zeitung“ veröffentlichten Ausschnitte des Videos, das den damaligen FPÖ-Vorsitzenden Christian Strache sowie einen Parteikollegen in einer Villa auf Ibiza zeigt. Einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte stellten die Politiker Staatsaufträge in Aussicht, wenn sie im Gegenzug der FPÖ an die Macht verhelfe. Neben möglicherweise illegalen Parteispenden ging es in dem Gespräch auch um eine Übernahme der „Kronen-Zeitung“. Am Tag nach der Veröffentlichung legten beide Politiker ihre Ämter nieder.
Straches skandalöse Aussagen hatten nicht nur einen Tag später dessen Rücktritt als Parteivorsitzender und Vizekanzler zur Folge, sondern läuteten auch das Ende der kurzen Ära von Türkis-Blau ein.
Wie ging es nach der Veröffentlichung des Ibiza-Videos weiter?
Nach der Weigerung der FPÖ, auf das von Herbert Kickl geführte Innenministerium zu verzichten, beendete der ÖVP-Vorsitzende Sebastian Kurz am Abend nach der Video-Veröffentlichung die Koalition (“genug ist genug“) und kündigte Neuwahlen „zum schnellstmöglichen Zeitpunkt“ an. Die FPÖ handelte schnell: Tags darauf wurde Norbert Hofer zum neuen Parteichef designiert. Die ÖVP kündigte ihrerseits die Entlassung des FPÖ-Manns Kickl aus seinem Amt an. Die Folgen waren der Rücktritt fast der gesamten blauen Ministerriege.
Unter dem Schock von Ibiza wurden die Österreicher am 26. Mai zur EU-Wahl an die Urne gebeten. Diese Wahl brachte einen ÖVP-Triumph und überraschend geringe Verluste der FPÖ. Die SPÖ schnitt für sie enttäuschend ab, während den Grünen mit satten 14 Prozent ein Erfolg gelang.
Nur einen Tag nach der EU-Wahl folgte dann im Parlament das historische Misstrauensvotum gegen die gesamte Regierung Kurz: Mit den Stimmen von SPÖ, FPÖ und JETZT wurden der ÖVP-Chef und seine Minister aus ihren Ämtern entfernt. Nach der Einsetzung einer interimistischen Regierung unter Führung von Finanzminister Hartwig Löger (ÖVP) ernannte Bundespräsident Alexander Van der Bellen am 3. Juni eine Übergangsregierung.
Wer sitzt in der Übergangsregierung?
Die Übergangsregierung unter Bundeskanzlerin Brigitte Bierlein besteht aus ehemaligen Beamten. Viele von ihnen sind Fachleute in ihren Ressorts, wo sie leitende Positionen inne hatten. Verfassungsrichterin Bierlein ist seit September Österreichs amtierende Bundeskanzlerin. Ihr Stellvertreter und Justizminister ist der ehemalige Präsident des Verwaltungsgerichtshofs Clemens Jabloner. Die Expertenregierung besteht aus gleich vielen Frauen wie Männern und wird noch bis zum Abschluss der Koalitionsverhandlungen nach der Wahl im Amt sein.