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Wahl in Polen : Mit scharfen Tönen und sozialen Wohltaten

Vielen Dank für die Blumen: Kaczynski und Morawiecki (hinter ihm) am Sonntagabend auf der Wahlparty der PiS in Warschau Bild: AFP

In Polen hat die Regierungspartei die Parlamentswahl deutlich gewonnen. Während sich die PiS bestätigt sieht, befürchten ihre Kritiker eine aggressivere Gangart.

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          Bei seinem Auftritt in der Parteizentrale am Wahlabend war Jaroslaw Kaczynski, der Vorsitzende der Regierungspartei PiS, nicht gerade euphorisch. Er sagte, die Partei habe ein noch besseres Ergebnis verdient, und kündigte weitere „vier Jahre harter Arbeit“ an. Dabei war in diesem Moment schon klar: Kaczynski und Mateusz Morawiecki, Polens Ministerpräsident, haben der PiS am Sonntag einen hohen Sieg in den Wahlen zum Sejm, dem polnischen Abgeordnetenhaus, beschert. 43,6 Prozent der Stimmen waren es laut dem amtlichen Endergebnis. So viel hat nach 1989 noch keine Partei im Land erzielt. Die PiS hatte vor vier Jahren, aus der Opposition heraus, knapp 38 Prozent erreicht.

          Gerhard Gnauck
          Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

          Weil damals viele Parteien an der Fünf-Prozent-Hürde scheiterten, genügte es für eine knappe Mehrheit der Mandate im Sejm und für eine alleinige Regierung der PiS. Die Stimmen werden nach dem d’Hondtschen Höchstzahlverfahren und noch dazu in jedem der 41 Wahlkreise separat umgerechnet, was große Parteien begünstigt. Dieses Mal dürfte die PiS im Sejm 235 von 460 Sitzen bekommen. Anders sieht es im Senat, dem Oberhaus, aus. Dort hat die PiS ihre bisherige Mehrheit der 61 (von 100) Sitzen verloren und hat nur noch 49 Sitze. 51 Sitze gehen dort zusammengerechnet an die größte Oppositionspartei, die liberale Bürgerplattform (PO), dazu die Linke, die Bauernpartei PSL und drei unabhängige, aber oppositionsnahe Senatoren gehen.

          Die Oppositionskräfte hatten es in vielen Wahlkreisen vermieden, gegeneinander anzutreten, um die gemeinsame Position zu stärken. Der Senat wird nach dem Mehrheitswahlrecht gewählt. Er kann Gesetzentwürfe einbringen oder solche des Sejms mit aufschiebender Wirkung zurückweisen. Außerdem hat er Mitspracherecht bei der Besetzung hoher Ämter und der Ansetzung von Referenden. Der PO-Abgeordnete Marcin Swiecicki kommentierte das neue Kräfteverhältnis: „Dann kann die PiS nicht mehr wie bisher Gesetze an einem Tag durchpeitschen, denn der Senat hat 30 Tage Zeit, zu einem Entwurf Stellung zu nehmen.“

          Soziale Versprechungen besorgen den Wahlsieg

          Die größte Überraschung am Sonntag war die hohe Wahlbeteiligung im Land: Sie stieg von 50,9 auf 61,2 Prozent. Bei den Wählern unter 30 Jahren lag sie am niedrigsten (47 Prozent). Bei den jungen Wählern stimmte ein Fünftel für die rechte „Konföderation“, fast ebenso viele für die Linke. In den größten Städten siegten die Liberalen. Landwirte, Rentner und Arbeitslose stimmten mehr als zur Hälfte für die regierende PiS.

          Den Wahlerfolg verdankt die PiS großenteils den sozialen Wohltaten, die sie bereits eingeführt hat, etwa dem Kindergeld und der Senkung des (kurz zuvor erhöhten) Rentenalters. Hinzu kamen neue Versprechen wie die, den Mindestlohn binnen vier Jahren fast zu verdoppeln (auf umgerechnet 910 Euro). Hilfreich war auch die Rolle der klar PiS-freundlichen öffentlich-rechtlichen Medien. „Erstmals seit 1989 hat eine regierende Rechte, großenteils dank der öffentlichen Medien, einen eigenen Kanal, über den sie die Wähler erreicht“, schrieb der Chefredakteur von „Do Rzeczy“, Pawel Lisicki, vor den Wahlen.

          Dagegen sei die Mehrheit der Privatmedien gegen die Regierung. In ihrem Wahlprogramm forderte die PiS, den Beruf des Journalisten gesetzlich zu regeln. Es müsse „eine (journalistische) Selbstverwaltung geschaffen werden, die sich um ethische und berufliche Standards kümmert und für die Ausbildung des journalistischen Nachwuchses verantwortlich ist“. Allerdings vermutet der Zeithistoriker Antoni Dudek, die PiS werde konfliktträchtige Themen, etwa ein „radikales Vorgehen gegen die Opposition“, bis zur Präsidentenwahl im Frühjahr 2020 zurückstellen.

          Justiz-Skandale schadeten der Regierungspartei nicht

          Überraschend war in diesem Wahlkampf, dass Kaczynski sich selbst, anders als früher, Tag für Tag in die Kampagne stürzte. Außerdem hatte Morawiecki – bis 2015 erfolgreicher Chef einer Großbank und somit politischer Quereinsteiger – das Image des Technokraten abgelegt und begonnen, seine öffentlichen Auftritte und den Kontakt zum Wähler zu genießen, wie es schien. Er sei zum Volkstribun geworden, der nicht mehr mit Zahlen, sondern mit Beispielen argumentiere und „mit dem Volk reden“ könne, schrieb die PiS-nahe Zeitschrift „Do Rzeczy“. Von Parteichef Kaczynski wiederum heißt es, er bewundere den 51 Jahre alten Regierungschef. Morawiecki habe ihn als Erster dafür gewonnen, sich für wirtschaftliche Themen zu interessieren. Im Wahlkampf warb die PiS mit der Formel, Polen, einst ein Land bitterer Armut, zu einem „Staat des Wohlstands“ zu machen. Es scheint klar, dass Morawiecki Regierungschef bleiben wird.

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