Vorwürfe gegen Justiz : Marokko reagiert empört auf Kritik des EU-Parlaments
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Der marokkanische Außenminister Nasser Bourita spricht während einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Josep Borrel. Bild: EPA
Marokko weist die Kritik des Europäischen Parlaments zurück, der sich Spanien nicht angeschlossen hat: Pedro Sánchez will das bevorstehende Gipfeltreffen nicht gefährden.
Die Empörung in Rabat über die europäischen Abgeordneten ist groß. Nach der Resolution des Europäischen Parlaments beschloss das marokkanische Parlament, seine Beziehungen zum Europäischen Parlament zu überdenken und sie einer „umfassenden Neubewertung“ zu unterziehen. Laut der staatlichen Nachrichtenagentur MAP sollen bald „entschlossene und angemessene Entscheidungen“ getroffen werden. Auch andere regierungsnahe Institutionen äußerten sich ähnlich deutlich: Der Hohe Justizrat wies die „schwerwiegenden Anschuldigungen, die die Unabhängigkeit der Justiz infrage stellen“ zurück. Laut dem Nationalen Presserat haben die europäischen Vorwürfe nichts mit der Wirklichkeit zu tun.
Die marokkanische Regierung schweigt bisher über die erste Resolution seit mehr als zwei Jahrzehnten, die das nordafrikanische Land so deutlich kritisiert. Es geht um die Verschlechterung der Pressefreiheit und Korruptionsvorwürfe. Das seien „Schikanen und Medienangriffe“ mit dem Ziel, das gute Verhältnis zur Europäischen Union zu stören, sagte der marokkanische Außenminister Nasser Bourita Anfang Januar. Aber diese Partnerschaft scheint weiter zu funktionieren. Bei seinem jüngsten Besuch in Rabat äußerte der aus Spanien stammende EU-Außenbeauftragte Josep Borrell diplomatisch nur seine Besorgnis über die in der Presse erhobenen „schwerwiegenden Vorwürfe“. In Europa kann Marokko offenbar weiterhin auf Spanien als seinen wichtigsten Fürsprecher bauen. Seit die schwere diplomatische Krise zwischen beiden Staaten zu Ende ist, vermeidet die Regierung von Ministerpräsident Pedro Sánchez alles, was den Beziehungen schaden könnte.
Spanien bleibt solidarisch mit Rabat
So lehnten in der vergangenen Woche 17 Abgeordnete aus Sánchez’ sozialistischer PSOE-Partei die Marokko-Entschließung des EU-Parlaments ab – zusammen mit gut einem Dutzend rechtsextremen Parlamentariern. Man habe „einige Elemente“ der Resolution nicht geteilt, sagte Sánchez, der zugleich der PSOE-Vorsitzende ist, um sogleich zu betonen, welcher guten Gesundheit sich die Beziehungen mit Marokko erfreuten.
Der Journalist Ignacio Cembrero findet es beschämend, „dass die spanischen Sozialisten sich weigern, die Menschenrechte in einem Land zu unterstützen, das Spanien so nahe steht wie Marokko, und gemeinsame Sache mit französischen Rechtsextremen des Rassemblement National zu machen“. Nach Einschätzung des spanischen Maghreb-Kenners geht es Sánchez darum, das Gipfeltreffen Anfang Februar in Rabat zu retten. Zum ersten Mal seit 2015 treffen sich wieder die Regierungen beider Länder. Gleichzeitig ist es Spanien wichtig, dass sich der Grenzverkehr zwischen Marokko und den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla wieder normalisiert. Zu Zeiten des Diktators Franco sei das demokratische Europa, angefangen mit der SPD, mit den spanischen Sozialisten solidarisch gewesen. Jetzt verdienten die Demokraten am südlichen Mittelmeerufer ähnliche Solidarität, sagte Cembrero der F.A.Z.
Gegen den Journalisten läuft in Madrid seit zwei Wochen ein Prozess: Marokko verlangt von ihm, den Vorwurf zu unterlassen, der marokkanische Geheimdienst habe sein Mobiltelefon mit „Pegasus“ ausgespäht. Die Resolution des Europaparlaments fordert Marokko ausdrücklich auf, die Überwachung von Journalisten mit der israelischen Spionagesoftware zu unterlassen. Cembrero beklagt das „große Schweigen“ der spanischen Sozialisten zu Beginn seines Prozesses. Dagegen hätten ihm führende Vertreter der wichtigsten anderen politischen Kräfte auch öffentlich ihre Unterstützung versichert.