Von der Leyen gegen Orbán : „Dieses ungarische Gesetz ist eine Schande“
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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bei einem Treffen mit dem ungarischen Ministerpräsidenten Victor Orbán im April in Brüssel Bild: dpa
Die EU-Kommissionspräsidentin reagiert blitzschnell auf das umstrittene Gesetz. Sie wirft Ungarn Diskriminierung und einen Verstoß gegen die Grundwerte der EU vor. Faktisch hat sie damit ein Vertragsverletzungsverfahren eröffnet.
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat ein neues ungarisches Gesetz, das Kinder vorgeblich vor nicht-heterosexuellen Orientierungen schützen soll, eine „Schande“ genannt. „Das Gesetz diskriminiert Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. Es verstößt gegen fundamentale Werte der Europäischen Union: Menschenwürde, Gleichheit und der Respekt für Menschenrechte“, sagte von der Leyen am Mittwochmorgen in Brüssel. Sie glaube an eine Europäische Union, „wo wir alle sein können, wer wir sind“ und „in der wir lieben können, wen wir wollen“. Wie von der Leyen weiter sagte, hat sie die verantwortlichen Kommissare gebeten, einen Brief zu senden, der diesen rechtlichen Bedenken Ausdruck verleiht, noch bevor das Gesetz in Kraft tritt.
Damit eröffnete die Kommissionspräsidentin faktisch ein Vertragsverletzungsverfahren, wie auch aus ihrer Umgebung bestätigt wurde. Solche Verfahren beginnen immer mit einem Brief, in dem die Kommission ihre rechtlichen Bedenken darlegt und die Regierung zur Stellungnahme auffordert. Das Schreiben solle noch am Mittwoch versendet werden, hieß es. De jure ist ein solches Verfahren aber erst möglich, wenn ein Gesetz schon in Kraft getreten ist.
„Alle Werkzeuge nutzen“
In diesem Fall hatte das ungarische Parlament am Dienstag voriger Woche mit den Stimmen des regierenden Fidesz von Ministerpräsident Viktor Orbán und der rechtsradikalen Partei Jobbik für die Änderung gestimmt. Es muss noch vom Staatspräsidenten János Ader unterschrieben werden. Das Gesetz schreibt vor, dass Kinder und Jugendliche nicht Inhalten ausgesetzt werden dürfen, die „eine andere sexuelle Identität als bei der Geburt, Geschlechtsumwandlung und Homosexualität zeigen und befürworten“. Das betrifft Bücher, Filme, Anzeigen und andere Medien.
Am Dienstag hatten 13 EU-Mitgliedstaaten in einer gemeinsamen Erklärung ihre „ernste Besorgnis“ über das Gesetz geäußert, das „unter dem Vorwand, Kinder zu schützen, LGBTIQ-Personen diskriminiert und gegen das Recht auf Meinungsfreiheit verstößt“. Die Unterzeichner hielten der Regierung von Ministerpräsident Viktor Orbán vor, sowohl die Grundwerte der Europäischen Union als auch die Grundrechtecharta und das Völkerrecht zu verletzen. Sie forderten die EU-Kommission auf, „alle zur Verfügung stehenden Werkzeuge zu nutzen, um die volle Anerkennung europäischen Rechts sicherzustellen, einschließlich einer Überweisung an den Europäischen Gerichtshof“. Die von den Benelux-Staaten aufgesetzte Erklärung wurde von Deutschland, Frankreich, Spanien, Irland, den drei nordischen und den drei baltischen Staaten unterstützt. Später schloss sich auch Italien dem Text an. Orbán verteidigte das Gesetz am Mittwoch.