Anerkennung des Völkermords : Genug für die Versöhnung mit Namibia?
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Die Verhandlungen hatten länger gedauert, als zunächst erwartet worden war. Dabei wurde um Formulierungen gerungen, zum Beispiel um den Begriff der „Reparation“, aber auch um die Frage, wie viel Geld Deutschland zahle und wofür. Die 1,1 Milliarden Euro, die Deutschland nun in Aussicht stellt, sind für Landkäufe, Infrastruktur, Wasserversorgung und Bildung in jenen Regionen vorgesehen, in denen die Nama und Herero leben. Anfangs hatten die namibischen Unterhändler sich gegen eine finanzielle Festlegung gesträubt und eine Unterstützung je nach Bedarf gefordert. Dies lehnte die deutsche Seite jedoch ab. Zusätzlich soll weiter Entwicklungshilfe gezahlt werden. In den vergangenen 30 Jahren sind rund eine Milliarde Euro von Deutschland nach Namibia geflossen. Das ist pro Kopf der höchste Betrag an deutscher Entwicklungshilfe in Afrika.
„Nicht genug für das Blut unserer Vorfahren“
In der Frage, ob die Verbrechen an den Nama und Herero Völkermord zu nennen seien, war die deutsche Regierung in den vergangenen Jahren unter Druck geraten, unter anderem dadurch, dass der Bundestag 2016 das Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915 und 1916 als Genozid verurteilt hatte. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan hatte die deutsche Regierung daraufhin aufgefordert, sich besser mit den eigenen Verfehlungen zu befassen. Im selben Jahr stufte die Bundesregierung die Ereignisse in Namibia in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Linken erstmals als Völkermord ein.
Die nun beschlossene Aussöhnungserklärung zwischen Deutschland und Namibia soll bald feierlich von den Außenministern beider Länder unterschrieben werden. Doch in Namibia regt sich Protest von Opferverbänden. Zwei Organisationen der betroffenen Volksgruppen, die Ovaherero Traditional Authority (OTA) und die Nama Traditional Leaders Association (NTLA), lehnen das gemeinsame Papier rundweg ab. Wenn Steinmeier nach Namibia komme, werde man ihm einen peinlichen Empfang bescheren, drohte der OTA-Vorsitzende Vekuii Rukoro, eines der traditionellen Oberhäupter im Land. „Das ist nicht genug für das Blut unserer Vorfahren. Wir werden bis zur Hölle und zurück kämpfen. Wir werden mit dem Teufel ins Bett gehen, wenn wir dadurch bekommen, was wir verdienen“, sagte er einem Bericht der Zeitung Namibian zufolge. Die Regierung habe nicht die Interessen der Nama und Herero vertreten. Das deutsche Geld solle in Wirklichkeit in Projekte der namibischen Regierung fließen. Die beiden Organisationen hatten direkte finanzielle Entschädigungen für die Nachfahren der damaligen Opfer gefordert. Zweimal hatten sie zu diesem Zweck Sammelklagen in den Vereinigten Staaten angestrengt, waren aber gescheitert.
Trotz der Proteste ist man sich aus deutscher Sicht jedoch einig mit Namibia. Man hat mit der namibischen Regierung als Stellvertreter der Volksgruppen verhandelt, zumal Vertreter der weiterhin einflussreichen traditionellen Königshäuser der Herero zu der Verhandlungskommission gehörten und die Forderungen von OTA und NTLA ablehnen. Der deutsche Verhandlungsführer Polenz sagte, er „bedauere“ die kritischen Äußerungen und hoffe, „dass es in Namibia noch gelingt, alle Gruppen mit einzubeziehen“.
Der namibische Präsident Hage Geingob begrüßte, dass Deutschland die Verbrechen an den Nama und Herero als Völkermord anerkennt. Das sei „der erste Schritt in die richtige Richtung“, sagte sein Sprecher am Freitag. Geingob selbst wurde Anfang der Woche positiv auf das Coronavirus getestet und befindet sich nun in Quarantäne. Für die vorgesehene Unterschrift der beiden Außenminister steht noch kein Termin fest. Auch die Parlamente in beiden Ländern sollen sich noch mit dem Papier befassen; in Deutschland möglicherweise auf Basis einer Resolution. In Namibia wird über Ähnliches nachgedacht. Die deutsche Seite hofft, dass der Prozess spätestens bis zur Bundestagswahl abgeschlossen sein wird.