So viele Tote wie noch nie
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Migranten erreichen am Freitag spanisches Territorium, nachdem sie den Grenzzaun zwischen Marokko und der spanischen Exklave Melilla überwunden haben. Bild: AP
Bei dem Versuch, nach Melilla zu gelangen, kamen mehr als 30 Migranten ums Leben, berichten Menschenrechtler. Sie fordern eine Untersuchung und kritisieren die Sicherheitszusammenarbeit mit Marokko.
Noch gibt es keine endgültigen Zahlen. Die spanische Hilfsorganisation „Caminando Fronteras“ spricht von 37 Toten. Die marokkanischen Behörden hatten am Samstagabend die Zahl der getöteten Migranten auf 23 erhöht, die am Freitag bei dem Versuch ums Leben gekommen sind, den Grenzzaun zu überwinden. Keine offizielle Bestätigung gab es für den Tod von zwei marokkanischen Polizisten, von dem Menschenrechtler berichtet hatten. Zudem wurden mehr als 300 Personen verletzt. Klar war aber am Sonntag, dass es noch nie so viele Tote bei einem Ansturm auf eine der beiden spanischen Nordafrikaexklaven gegeben hatte.
Etwa 2000 Migranten hatten – zum Teil mit großer Brutalität – versucht, sich einen Weg nach Spanien zu bahnen, wohin es 133 schafften. Zum größten Teil waren es laut Presseberichten Sudanesen, die oft monatelang in den schwer zugänglichen Bergen östlich von Melilla auf diesen Tage gewartet hatten.
Sie hatten sich dafür mit selbstgefertigten Messern, Stöcken, Hämmern und Steinen ausgerüstet sowie Haken, um den Zaun zu erklimmen. Sie stürmten die am wenigsten geschützte Stelle der insgesamt zwölf Kilometer langen und sechs Meter hohen Sperranlage, die auch „das Sieb“ genannt wird.
16 spanische Polizisten standen 500 Männern gegenüber
Dort standen 16 spanische Polizisten am Freitagmorgen 500 jungen Männern gegenüber. Polizeigewerkschafter werfen der Regierung in Madrid vor, ihre Versprechen nicht eingehalten zu haben. Nach dem bisher größten Ansturm auf die Grenze in Melilla im März sollten die Befestigungen ausgebaut und mehr Polizisten in der Exklave stationiert werden.
An vier Tagen waren es Anfang März Tausende, von denen es 800 nach Spanien schafften. Zu ähnlich hohen Zahlen war es seit Mai 2021 nicht mehr gekommen, als fast 10.000 Marokkaner in die spanische Exklave Ceuta gekommen waren; die marokkanische Grenzpolizei hatte sie damals nicht aufgehalten.
Sánchez lobt Marokko
Nachdem sich Spanien und Marokko Ende März nach einem langen und heftigen Streit über die Westsahara wieder ausgesöhnt hatten, griffen dieses Mal die marokkanischen Sicherheitskräfte massiv ein. Sie waren offenbar rechtzeitig gewarnt worden und hatten Verstärkung aus anderen Teilen des Landes erhalten.
Der spanische Ministerpräsident Pedro Sánchez lobte die „großen Anstrengungen und die außerordentliche Zusammenarbeit“; Marokko habe sich als „strategischer Verbündeter“ im Kampf gegen die „Mafia der Menschenhändler“ erwiesen.
Menschenrechtler fordern eine Untersuchung und kritisieren die von der EU finanzierte Sicherheitszusammenarbeit mit Marokko. Die marokkanische Menschenrechtsorganisation AMDH verbreitete ein Video, das zeigte, wie Dutzende angeblich schwer verletzte Migranten im Polizeigewahrsam stundenlang gefesselt auf dem Boden lagen. Am Samstag berichtete die Gruppe, dass mindestens 15 Afrikaner in ein Massengrab geworfen worden seien, ohne zu klären, wie und durch wen sie zu Tode gekommen seien.
Die spanische Organisation „Caminando Fronteras“ warf Sánchez vor, mit seinem Lob für die Marokkaner sei er zu einem „Komplizen der Tragödie“ geworden. Seit Jahresbeginn kamen in Spanien knapp 13.000 Migranten in Spanien an, etwa 15 Prozent mehr als im Jahr zuvor.