Alternativer Nobelpreis : Preisverleihung für die „richtige Lebensweise“
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In Stockholm wurden am Dienstag die Preisträger des „Right Livelihood Award“ bekannt gegeben. Bild: AP
Der Alternative Nobelpreis wird verliehen – für den Einsatz für eine bessere Welt. In diesem Jahr geht der Preis nach Indien, Amerika, Äthiopien und Aserbaidschan.
Der Alternative Nobelpreis will Menschen würdigen, die sich – ohne mächtige Lobby im Hintergrund – täglich für eine nachhaltige, menschenwürdige Zukunft einsetzen. Am Dienstag gab die „Right Livelihood Award“-Stiftung bekannt gegeben, wer in diesem Jahr den Preis erhalten wird. Ausgezeichnet werden offiziell am 1. Dezember die aserbaidschanische Journalistin Khadija Ismayilova, der indische Menschenrechtsanwalt Colin Gonsalves und die äthiopische Menschenrechtsanwältin Yetnebersh Nigussie. Der amerikanische Anwalt Robert Bilott erhält zudem eine Ehrenauszeichnung.
Weil die Alfred-Nobel-Stiftung es ablehnte, einen offiziellen Nobelpreis für die Bekämpfung der Armut und den Schutz der Umwelt einzuführen, stiftete der Antragsteller Jakob von Uexküll schlicht einen eigenen Preis, den er „Right Livelihood Award“ nannte. Der professionelle Briefmarkensammler und Schriftsteller finanzierte die gleichnamige Stiftung mit Sitz in Stockholm aus dem Erlös des Briefmarkenhandels. Seit 1980 wird der Preis jährlich verliehen, feste Kategorien gibt es keine. Das Preisgeld, dass sich zumeist vier Preisträger teilen, liegt bei umgerechnet etwa 315.000 Euro.
Die Journalistin Ismayilova erhält den Preis für „Mut und Beharrlichkeit“ bei der Bekämpfung von Korruption. Ismayilova berichtet seit Jahren kritisch über Aserbaidschans autokratische Regierung. Sie deckte unter anderem die Verwicklung von Präsident Ilham Aliyev in Korruptionsskandale und Menschenrechtsverletzungen auf. Ismayilova arbeitet für den von der amerikanischen Regierung finanzierten Sender Radio Free Europe/Radio Liberty, dessen aserbaidschanisches Programm sie von 2008 bis 2010 leitete. International bekannt wurde die Radiojournalistin vor dem Eurovision
Song Contest (ESC) 2012, der in der aserbaidschanischen Hauptstadt Baku abgehalten wurde. Ismayilova berichtete über Vetternwirtschaft bei Bauprojekten für den ESC. Wegen ihrer Recherchen wurde Ismayilova immer wieder bedroht. 2014 wurde sie verhaftet und zu siebeneinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Wegen internationaler Proteste wurde sie 2016 allerdings freigelassen.
Der indische Menschenrechtsanwalt Gonsalves bekommt den Preis, weil er seit drei Jahrzehnten moderne Sklaven, Slumbewohner, Frauen und Arme verteidigt. Der 65 Jahre alte Anwalt hat in den vergangenen vier Jahrzehnten Indiens größtes Netzwerk für Menschenrechtsfragen aufgebaut. Sein Netzwerk HRLN erstritt unter anderem ein „Recht auf Nahrung“, was das Leben von 400 Millionen Menschen verbesserte, wie die Right Livelihood Award Stiftung in Stockholm mitteilte. 1983 gegründet, zählt das Netzwerk inzwischen mehr als 200 Anwälte und unterhält Büros in ganz
Indien. Zu den Fällen, die der angesehene Anwalt übernimmt, zählen Flüchtlinge, zum Tode Verurteilte, vergewaltigte Kinder, hungernde Dorfbewohner, Opfer von Säure-Attacken oder vergessene Häftlinge, die ohne Prozess im Gefängnis sitzen. Derzeit vertritt Gonsalves 7000 Rohingya, die am Rand des Kaschmir-Tals leben.
Yetnebersh Nigussie erhält die Auszeichnung nach Angaben der Stiftung für ihren Einsatz für die Rechte von behinderten Menschen. Die Anwältin, die selbst blind ist, setze sich in ihrer Heimat Äthiopien tatkräftig für mehr Inklusion ein. Sie war fünf, als sie im ländlichen Norden Äthiopiens an Meningitis erkrankte und erblindete. Für eine frühe Heirat – ihre Mutter war zehn, als sie verheiratet wurde – fiel sie damit aus, durfte stattdessen ein kirchliches
Internat besuchen. Nigussie studierte Jura und Sozialarbeit, sie setzte sich bereits während des Studiums für
Aids-Kranke ein und rief die erste Studentinneninitiative ins Leben. Nach ihrem Abschluss gründete sie das Äthiopische Zentrum für Behinderung und Entwicklung und wurde dessen Direktorin. In einem Land, in dem Blinde nicht einmal Bankgeschäfte betreiben dürfen, kämpft sie seitdem für Gleichberechtigung. Mit Erfolg: Neubauten müssen in Äthiopien behindertengerecht sein, das entsprechende Gesetz hat Nigussie erstritten. Zudem gründete sie eine Privatschule, in der auch Kinder mit Behinderung unterrichtet werden.
Den undotierten Ehrenpreis erhält der amerikanische Umweltrechtler Robert Bilott, der in einem 19 Jahre dauernden Rechtsstreit 70.000 Bürger im amerikanischen Bundesstaat West Virginia vertrat, deren Trinkwasser chemisch verseucht worden war. Anfang des Jahres errang Bilott in dem fast zwei Jahrzehnte währenden Rechtsstreit mit dem amerikanischen Chemiekonzern DuPont den Sieg. Das Trinkwasser der Menschen in West Virginia war mit Perfluoroctansäure verseucht, die Substanz kann zu Atembeschwerden und Krebserkrankungen führen. „Ich hoffe, dass die Auszeichnung das Bewusstsein dafür schärft, wie dringlich weitere Maßnahmen zum Schutz unseres Trinkwassers sind“, erklärte Bilott.
Mit ihrer mutigen Arbeit begegneten die Preisträger einigen der weltweit drängendsten Herausforderungen, erklärte der Direktor der Right Livelihood Award Stiftung, Ole von Uexküll. „In einer Zeit der alarmierenden Rückschläge für die Demokratie zeigen uns ihre Erfolge den Weg zu einer gerechten, friedlichen und nachhaltigen Welt für alle.“
In den vergangenen Jahren wurden beispielsweise die Weißhelme in Syrien, die türkische Zeitung „Cumhuriyet“, der Whistleblower Edward Snowden oder auch die Bevölkerung der Marschall-Inseln ausgezeichnet. Insgesamt haben etwa 170 Menschen und Organisationen bisher den Preis erhalten.