Amtseinführung des Präsidenten : Schröder als „besonderer Freund“ zu Erdogans Party geladen
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Der frühere Kanzler Schröder begrüßte 2009 Erdogan, damals türkischer Ministerpräsident, zur Feier seines 65. Geburtstags. Bild: Picture-Alliance
Gerhard Schröder und Recep Tayyip Erdogan kennen sich schon lange. Der frühere Bundeskanzler wird mit dem türkischen Politiker dessen Vereidigung feiern – genau wie einige Staats- und Regierungschefs.
Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) wird am Montag zu den Feierlichkeiten anlässlich der Vereidigung des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan nach Ankara kommen. Die staatliche türkische Nachrichtenagentur Anadolu berichtete am Montag, Schröder sei am Abend in Ankara als „besonderer Freund“ des Präsidenten zu einem feierlichen Abendessen eingeladen worden. Ein Sprecher des Auswärtigem Amtes bestätigte, dass der frühere Kanzler „in Vertretung der Bundesregierung“ in Ankara sein werde. Politische Gespräche seien aber nicht geplant.
Schröder und Erdogan kennen sich seit langem. Einmal reiste Erdogan sogar zu einer Geburtstagsfeier von Schröder an. Der Altkanzler wiederum hat nach Angaben von Diplomaten bei Türkei-Besuchen im vergangenen Jahr bei der Freilassung des in der Türkei inhaftierten Journalisten Deniz Yücel und des Menschenrechtlers Peter Steudtner geholfen. Die Affäre hatte die Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei schwer belastet.
Am Nachmittag hat Erdogan rund zwei Wochen nach seiner Wiederwahl den Amtseid abgelegt. In einer Zeremonie im Parlament in Ankara wurde er vereidigt. Danach will Erdogan zunächst das Grab von Staatsgründer Mustafa Kemal Atatürk besuchen. Dann geht es begleitet von Kavallerie-Eskorte und Militärband zu einer Feier in den riesigen Präsidentenpalast, wo der alte und neue Präsident mit Salutschüssen begrüßt wird.
10.000 Gäste werden auf der Party erwartet
Erdogan erwartet mehr als 30 Staats- und Regierungschefs zu der Feier in seinem Palast. Der Kreml bestätigte, dass der russische Ministerpräsident Dmitri Medwwdew an den Feierlichkeiten teilnehmen wird. Neben ihm und Schörder werden Medienberichten zufolge auch der venezolanische Präsident Nicolás Maduro, der ukrainische Präsident Petro Poroschenko und der bulgarische Ministerpräsident Boiko Borissow erwartet. Insgesamt sollen Anadolu zufolge rund 10.000 Menschen an der Feier im Präsidentenpalast teilnehmen.
Erdogan hat nun als Staats- und Regierungschef deutlich mehr Macht und kann Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen. Seine Vereidigung markiert den Beginn des Präsidialssystems, dem eine Mehrheit der Türken im vergangenen Jahr in einem Referendum zugestimmt hat. Seine Minister darf Erdogan künftig ohne die Zustimmung des Parlaments ernennen. Am Montagabend will er noch sein neues Kabinett vorstellen. Erdogan sagte, mit seiner Vereidigung beginne eine „neue Ära“. Die Opposition warnt hingegen vor einer „Ein-Mann-Herrschaft“.
Das Präsidialsystem der Türkei
Im April vergangenen Jahres haben die Türken mit einer knappen Mehrheit in einem Referendum für das von Staatschef Recep Tayyip Erdogan angestrebte Präsidialsystem gestimmt. Nach der Abstimmung begann schrittweise die Umstellung des Systems. Mit den Parlaments- und Präsidentenwahlen am 24. Juni wurde sie abgeschlossen. Erdogan hatte die Präsidentenwahl mit rund 52,6 Prozent der Stimmen gewonnen. Seine islamisch-konservative AKP erhielt in der Allianz mit der ultranationalistischen MHP die absolute Mehrheit im Parlament. Kritiker befürchten, dass das neue System eine Ein-Mann-Herrschaft ermöglicht. Verfassungsfachleute der sogenannten Venedig-Kommission im Europarat warnten vor einem „gefährlichen Rückschritt in der verfassungsmäßigen demokratischen Tradition der Türkei“.
Die wichtigsten Änderungen im Überblick:
- Der Präsident darf einer Partei angehören: Erdogan trat im Mai 2017 abermals der von ihm mitgegründeten AKP bei. Im selben Monat ließ er sich wieder zum Parteivorsitzenden wählen.
- Der Präsident hat mehr Einfluss auf die Justiz: Im Rat der Richter und Staatsanwälte kann er 4 der 13 Mitglieder bestimmen, das Parlament 7 weitere. Feste Mitglieder bleiben der Justizminister und sein Staatssekretär, die der Präsident ebenfalls auswählt. Das Gremium ist unter anderem für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten zuständig. Der Rat wurde bereits im Mai 2017 neu besetzt. Im alten System hatten die Juristen selbst die Mehrheit des zuvor 22-köpfigen Gremiums bestimmt.
- Die Militärgerichte wurden abgeschafft.
- Der Präsident ist nicht nur Staats-, sondern auch Regierungschef. Das Amt des Ministerpräsidenten entfällt. Er wird nicht mehr vom Parlamentspräsidenten, sondern von Vizepräsidenten vertreten. Der Präsident ist für die Ernennung und Absetzung einer von ihm selbst bestimmten Anzahl Vizepräsidenten und Minister sowie aller hochrangigen Staatsbeamten zuständig. Das Parlament hat kein Mitspracherecht. Mitglieder des Kabinetts dürfen nicht Abgeordnete sein. Wer für die Präsidentschaft kandidiert, darf sich nicht zugleich um ein Abgeordnetenmandat bewerben.
- Der Präsident kann in Bereichen, die die Exekutive betreffen, Dekrete mit Gesetzeskraft erlassen, die mit Veröffentlichung im Amtsanzeiger in Kraft treten. Eine Zustimmung durch das Parlament ist nicht nötig. Dekrete werden unwirksam, falls das Parlament zum jeweiligen Bereich ein Gesetz verabschiedet. Präsidiale Dekrete dürfen Verfassungsrechte nicht einschränken und gesetzlich bereits bestimmte Regelungen nicht betreffen. Gesetze darf – bis auf den Haushaltsentwurf – nur noch das Parlament einbringen.
- Die Anzahl der Abgeordneten steigt von 550 auf 600. Parlamentarische Anfragen gibt es nur noch schriftlich an die Vizepräsidenten und Minister.
- Neuwahlen können sowohl das Parlament als auch der Präsident auslösen, im Parlament ist dafür eine Dreifünftelmehrheit notwendig. In beiden Fällen werden sowohl das Parlament als auch der Präsident zum gleichen Zeitpunkt neu gewählt – unabhängig davon, welche der beiden Seiten die Neuwahl veranlasst hat.
- Die Amtszeiten des Präsidenten bleiben auf zwei beschränkt. Die Regierungspartei AKP hat aber eine Hintertür eingebaut: Sollte das Parlament in der zweiten Amtsperiode des Präsidenten eine Neuwahl beschließen, kann der Präsident noch einmal kandidieren.
- Die Zählung der Amtszeiten beginnt unter dem neuen Präsidialsystem neu. Erdogan ist also nun in seiner ersten Amtsperiode. Mit der Hintertür (und bei entsprechenden Wahlerfolgen) könnte er theoretisch bis 2033 an der Macht bleiben.
- Gegen den Präsidenten kann nicht nur wie bislang wegen Hochverrats, sondern wegen aller Straftaten ermittelt werden. Allerdings ist eine Zweidrittelmehrheit aller Abgeordneten im Parlament notwendig, um eine entsprechende Untersuchung an die Justiz zu überweisen. (dpa)