Ausnahmezustand in Venezuela : Präsident gibt sich und Militär Sondervollmachten
- Aktualisiert am
Venezuelas Präsident steht unter Druck. Angesichts der schweren Wirtschaftskrise wagt Nicolas Maduro die Flucht nach vorne. Bild: Reuters
Der Konflikt in Venezuela spitzt sich zu. Lange Schlangen, fehlende Lebensmittel und Medikamente, dramatische Bilder aus Krankenhäusern. Nun greift der Präsident zu drastischen Mitteln. Die Opposition spricht von Putsch.
Angesichts der katastrophalen Wirtschaftslage und massiver Proteste in der Bevölkerung hat die Regierung Venezuelas per Dekret ihre Befugnisse deutlich erweitert. Die neuen Vollmachten erstrecken sich auf den Sicherheitsbereich, die Rationierung von Lebensmitteln sowie die Energieversorgung. Das geht aus dem Dekret zur Verhängung des Ausnahmezustands und des ökonomischen Notstands vor, wie die Regierung am Montag in ihrem Amtsblatt mitteilte. Die Maßnahmen bleiben zunächst 60 Tage lang in Kraft und könnten anschließend um weitere 60 Tage verlängert werden.
Zuvor hatte der sozialistische Staatschef Nicolás Maduro den Ausnahmezustand für die kriselnde Wirtschaft des südamerikanischen Landes am Freitag um drei Monate verlängert und erklärt, der Ausnahmezustand werde zum Schutz des venezolanischen Volkes auch auf andere Bereiche ausgeweitet.
Das Regierungsdekret hat zur Folge, dass Soldaten die öffentliche Ordnung durchsetzen können und befugt sind, Lebensmittel zu verteilen oder zu verkaufen. Die Ermächtigung an die Streitkräfte kann aber auch bedeuten, dass Unternehmen zur Produktion gezwungen werden. Der Präsident wirft privaten Unternehmern generell vor, aus ideologischen Gründen einen Wirtschaftskrieg gegen seine sozialistische Regierung zu führen. Zuletzt hatte Polar – das größte Privatunternehmen – unter anderem die Bierproduktion gestoppt, weil aufgrund von Devisenmangel kein Gerstenmalz mehr importieren werden kann.
Zudem sollen Unternehmer, Firmen und Nichtregierungsorganisationen mit Verbindungen ins Ausland verstärkt kontrolliert werden; ihre Vermögen können eingefroren werden. Der Zugang zu Gütern der Grundversorgung kann unter staatliche Kontrolle gestellt werden, Enteignungen werden ermöglicht.
Eine weitere Maßnahme des Regierungsdekrets besagt, dass örtliche Bürgerwehren nun die Armee und die Polizei „bei der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung“ unterstützen dürfen.
In dem Dekret wird auch verfügt, dass allen Menschen im Land – mit Ausnahme von Militär, Polizei und Bürgerwehren – das Tragen von Waffen verboten werden kann. In Venezuela sind zahlreiche Waffen im Umlauf. Die Hauptstadt Caracas zählt zu den Städten mit den höchsten Mordraten weltweit.
Caracas : Venezuelas Opposition will Präsidenten absetzen
Die Lage im Land ist katastrophal: Leere Regale, lange Schlangen prägen das Bild. In Krankenhäusern fehlt es an Medikamenten, die medizinische Versorgung steht vor dem Zusammenbruch. Durch die höchste Inflationsrate der Welt, Devisenknappheit und eine enorme Rezession steht das Land nach 16 Jahren sozialistischer Regierung vor dem Ruin. Besonders macht Venezuela, das über die größten bekannten Ölreserven der Welt verfügt, der massive Verfall des Ölpreises sowie eine lang anhaltende Dürreperiode zu schaffen.
Seit Wochen herrscht in Venezuela eine schwere Energiekrise, weil das größte Wasserkraftwerk des Landes, das normalerweise mit einer Leistung von 10.000 Megawatt über 60 Prozent der Energie produzieren kann, unter starkem Wassermangel leidet. Daher galt zuletzt für Teile des Arbeitssektors eine Zwei-Tage-Woche. Auch Schulen blieben häufiger geschlossen. Maduro drohte dem Parlament, den Strom abzustellen. Frauen riet er, auf das Föhnen zu verzichten.
Auch das Ausland und die Opposition im Blick
Doch nicht nur die Wirtschaftsprobleme scheint Maduro bekämpfen zu wollen. Mit den nun beschlossenen „Spezialmaßnahmen“ soll auch eine Einmischung des Auslands in innere Angelegenheiten unterbunden werden. So kann beispielsweise gegen ausländische Nicht-Regierungsorganisationen (NGO) vorgegangen werden, wenn sie nach Einschätzung des Außenministeriums die Stabilität des Landes gefährden. Ihnen kann die Finanzierung von Projekten untersagt werden. Aus Deutschland unterhalten unter anderem die Konrad-Adenauer-Stiftung und die Friedrich-Ebert-Stiftung Büros in Caracas.
Des weiteren lässt sich ein Punkt des Dekrets so interpretieren, dass die Rechte des Parlaments eingeschränkt werden können. Die Opposition warnt deshalb vor einem „Putsch“ und kündigte für Dienstag eine Sitzung an. In einem ersten Schritt wurden rund 1,8 Millionen Unterschriften gesammelt. Die Opposition will ein Referendum, das lehnt die Regierung jedoch ab.
Der frühere Busfahrer Maduro steht unter erheblichem Druck, auch wenn er nach eigenen Angaben immer noch „wie ein Baby schläft“. In eigenen Reihen ist er nicht mehr unumstritten, er hatte 2013 den gestorbenen Hugo Chávez beerbt. Ein Bündnis von Konservativen, Liberalen und Sozialdemokraten hatte den Sozialisten um Maduro im Dezember eine verheerende Niederlage bei der Parlamentswahl zugefügt. Seither versucht die rechtsgerichtete Opposition, Maduro mithilfe eines Referendums abzulösen.