Venezolaner sollen wählen : Guaidós letzte Bastion fällt
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Juan Guaidó im Juni vor Journalisten in Caracas Bild: AFP
Die Opposition in Venezuela will die angekündigte Wahl einer neuen Nationalversammlung boykottieren. Damit schafft sie sich selbst ab. Maduro kann schalten und walten.
Im Dezember sollen die Venezolaner eine neue Nationalversammlung wählen. Das hat nun der Wahlrat des Landes bekanntgegeben. Doch wie schon bei den vergangenen Wahlen wird die Opposition gar nicht oder nur in kleinen Teilen daran teilnehmen.
Es gebe keine Garantien für eine faire und transparente Wahl, argumentieren die großen Oppositionsparteien. Man wolle dem Regime von Präsident Maduro nicht den Gefallen erweisen, die „Scheinwahl“ durch eine Teilnahme zu legitimieren. „Wir Venezolaner erkennen keine Farce an“, schrieb Oppositionsführer Juan Guaidó auf Twitter. Das hätten sie im Mai 2018 schließlich auch nicht gemacht. „Wir haben uns für ein Leben mit Würde und in Demokratie entschieden.“
Dabei geht es um die Wahl der Nationalversammlung, der Institution also, in der die Opposition seit der vergangenen Wahl vor fünf Jahren eine Mehrheit hat und die vor anderthalb Jahren ihren Vorsitzenden Juan Guaidó zum Interimspräsidenten ernannte. Die Wahl der Nationalversammlung Ende 2015, in der die Oppositionsparteien geschlossen eine Zweidrittelmehrheit errangen, gilt zugleich als die letzte freie und demokratische Wahl im Land.
Nach der Niederlage bei der Abstimmung begann Maduro mit der Zerlegung der demokratischen Institutionen und Regeln. Kurz nachdem das neue Parlament seine Arbeit aufgenommen hatte, erklärte das regierungshörige Oberste Gericht dessen Beschlüsse für nichtig. Dann ließ das Regime ohne vorherige Volksbefragung eine Verfassunggebende Versammlung wählen, um eine Art Gegenparlament zu gründen. Ein Referendum über den Verbleib Maduros in seinem Amt, wie es die Verfassung vorsieht, wurde dem Volk ebenfalls verweigert.
Derzeit tagen zwei Nationalversammlungen
Heute ist Venezuela, das wegen seiner Erdölvorkommen einst ein reiches Land war, nicht nur wirtschaftlich komplett am Boden und verarmt, sondern politisch und gesellschaftlich zutiefst geteilt. Oppositionelle werden politisch verfolgt, während gleichzeitig die Radikalisierung auf beiden Seiten zugenommen hat. Der Versuch der Opposition, mit der Ernennung von Guaidó und dessen Anerkennung durch zahlreiche Regierungen – allen voran den Vereinigten Staaten – die Armee auf ihre Seite zu ziehen und Maduro in die Knie zu zwingen, ist gescheitert.
Maduro hat nicht nur die Kontrolle über die Armee, sondern auch über das Oberste Gericht, das kürzlich einen neuen Wahlrat ernannte, obwohl diese Kompetenz eigentlich der Nationalversammlung zusteht. Der letzte Schlag gegen die Opposition erfolgte im Januar, als die Nationalversammlung unter Ausschluss zahlreicher Oppositionsvertreter einen regierungsnahen Abgeordneten – und nicht Guaidó – zum Parlamentspräsidenten wählte. In einer zweiten Versammlung wurde Guaidó gewählt. Seither tagen zwei Nationalversammlungen mit unterschiedlichen Präsidenten.
Die Opposition ist geschwächt und droht mit der Parlamentswahl ihre letzte Bastion zu verlieren. Nach dem gescheiterten Umsturzversuch sind zudem viele Regierungen auf Distanz zum Parlament gegangen, denn de facto hat es keine Entscheidungsgewalt in Venezuela.
Ein Gerichtsentscheid in Großbritannien gibt dem Gegenspieler Maduros nun wieder etwas Legitimität und vor allem Macht – auch um Verhandlungen zu erzwingen: Am Donnerstag urteilte ein Londoner Gericht, dass die britische Regierung Guaidó als Präsidenten anerkenne, womit er die Kontrolle über die in der Bank of England gehorteten venezolanischen Goldreserven hätte. Die venezolanische Zentralbank war in London vor Gericht gegangen, um Goldbarren im Wert von einer Milliarde Dollar aus ihren Reserven zu liquidieren. Der Regierung fehlen Devisen für den Kauf von Lebensmitteln und Medikamenten.