
Die Insel Utøya Bild: Illustration Tina Berning
Vor einem Jahrzehnt ermordete ein Rechtsextremist 77 Menschen auf der norwegischen Insel Utøya und in Oslo. Vier Geschichten vom Weiterleben.
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Der Überlebende: Vor ein paar Monaten konnte Tarjei Jensen Bech zum ersten Mal wieder joggen gehen. Zum ersten Mal seit dem 22. Juli 2011, als ihn eine Kugel aus dem Gewehr von Anders Behring Breivik ins linke Bein traf. Bech war 19 Jahre alt und einer von rund 550 Teilnehmern des alljährlichen Sommertreffens der norwegischen Jusos auf der Insel Utøya, gut dreißig Kilometer nordwestlich von Oslo. 69 von ihnen ermordete Breivik an jenem Freitagnachmittag, viele davon noch Kinder und Jugendliche. Zuvor hatte er im Stadtzentrum von Oslo eine Autobombe gezündet, die acht Menschen in den Tod riss. Der Terrorist, ein Norweger ohne Vorstrafen und aus bürgerlichen Verhältnissen, begründete seine Verbrechen vor Gericht damit, dass er Norwegen vor der einwanderungsfreundlichen Politik der sozialdemokratischen Arbeiterpartei schützen wollte. In einem Gerichtsverfahren wurde Breivik zu 21 Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt, die Höchststrafe im norwegischen Rechtssystem. Zehn Jahre ist der Anschlag nun her. Zehn Jahre, in denen viele Norweger, in denen ein ganzes Land lernen musste, mit dem Terror und seinen Folgen zu leben.
Tarjei Jensen Bech denkt nicht mehr oft an Breivik. Das sagt er zumindest. Das verwundete Bein aber schmerzt ihn noch jeden Tag. An Fußballspielen wie früher ist nicht zu denken, beim Skifahren traut er sich nur an den Langlauf, nicht an die Abfahrt. Was direkt nach den Schüssen auf Utøya geschah, daran erinnert sich Bech nur lückenhaft: Er stürzte einen mehrere Meter tiefen Abhang hinunter, verlor vorübergehend das Bewusstsein. Am Tag danach wurde er mit einem Rettungsflugzeug in seine Heimat im Norden von Norwegen gebracht. In Tromsø lag er neun Wochen lang im Krankenhaus. Achtmal wurde er operiert, am Bein und im Gesicht, der Aufprall nach dem Sturz hatte den Knochen in der linken Augenhöhle zerbrechen lassen. Davon ist kaum noch etwas zu sehen. „Es hätte viel schlimmer ausgehen können“, sagt Bech heute.
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