Amerikanischer Außenminister : Blinken: Peking könnte früher gegen Taipeh vorgehen
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US-amerikanischer Außenminister Antony Blinken Bild: Reuters
Antony Blinken warnt, China könnte eine Invasion Taiwans deutlich früher planen als bisher erwartet. Unter Xi Jinping sei Peking „zu Hause repressiver und im Ausland aggressiver“ geworden, sagt der amerikanische Außenminister.
In der vergangenen Woche hatte die amerikanische Regierung ihre nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt, in der sie festhielt, Chinas Bestreben, ein autoritäres Herrschaftssystem mit einer revisionistischen Außenpolitik zu verbinden, bereite ihr die größten Sorgen. Nun warnte Außenminister Antony Blinken, dass China eine Invasion Taiwans deutlich früher planen könnte als bislang erwartet. Peking habe die „grundlegende Entscheidung getroffen, dass der Status quo nicht länger akzeptabel ist“, sagte er in einer Veranstaltung an der kalifornischen Stanford University. Peking sei „entschlossen, eine Wiedervereinigung in einem viel schnelleren Zeitplan zu verfolgen“. Blinken nannte allerdings keinen möglichen Zeitrahmen.
Der chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping hatte am Sonntag in seiner Eröffnungsrede beim Parteitag der Kommunistischen Partei gesagt, China werde sich in der Taiwan-Frage „niemals dazu verpflichten, auf die Anwendung von Gewalt zu verzichten“. Er verurteilte zudem die „Einmischung“ des Auslands in die Angelegenheit. China führe in Taiwan einen „wichtigen Kampf gegen Separatismus und Einmischung“, sagte er. Peking sieht Taipeh als abtrünnige Provinz, die wieder mit dem Festland vereinigt werden soll – notfalls mit militärischer Gewalt.
„Zu Hause repressiver und im Ausland aggressiver“
Blinken bekräftigte in der Veranstaltung in Stanford, unter der Führung Xi Jinpings sei „in den vergangenen Jahren ein ganz anderes China entstanden“. Es sei „zu Hause repressiver und im Ausland aggressiver“, sagte er. „In vielen Fällen stellt das eine Herausforderung für unsere Interessen und unsere Werte dar.“ Blinken warf Xi vor, in der Taiwan-Frage für „unglaubliche Spannungen“ zu sorgen.
Der Präsident des deutschen Bundesnachrichtendienstes, Bruno Kahl, hatte nach Xis Rede indes gesagt, er sehe darin keine neue Qualität in der Position Chinas gegenüber Taiwan. Er lese daraus keine „unmittelbaren Änderungen“ im Vorgehen Pekings in der Taiwan-Frage, sagte Kahl in einer öffentlichen Anhörung im Parlamentarischen Kontrollgremium des Bundestags am Montag. Wohl sagte Kahl, die Taiwan-Frage bleibe für die chinesische Staatsführung „sehr brennend auf der Tagesordnung“ und sei eine ihrer „Hauptprioritäten“. Die Taiwan-Frage müsse aus Sicht Chinas gelöst werden. „Die Frage ist eben nur wie schnell“, sagte Kahl. Hier habe er derzeit keine Anhaltspunkte, „dass sich dort etwas geändert hat“.
Präsident Joe Biden hatte in der vergangenen Woche – wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine verspätet – seine nationale Sicherheitsstrategie vorgelegt. Darin heißt es, Peking und Moskau stellten unterschiedliche Herausforderungen dar: Russland sei mit seiner rücksichtslosen Missachtung des Völkerrechts, die der Krieg gegen die Ukraine offenbare, eine unmittelbare Gefahr für die freie Weltordnung. China indes sei „das einzige Land, dass sowohl die Absicht hat, die Weltordnung umzugestalten, als auch zunehmend die wirtschaftliche, diplomatische, militärische und technologische Macht, dieses Ziel zu erreichen“.
Washington hebt zwar immer wieder hervor, es bleibe aus amerikanischer Sicht bei der Ein-China-Politik; auch bleibe Amerika gegen einseitige Änderungen des Status Quo in der Straße von Taiwan. Tatsächlich aber hat es unter Biden einen Strategiewechsel gegeben: Die strategische Ambiguität, mit der Washington China im Unklaren darüber ließ, wie es gegebenenfalls auf einen Annexionsversuch reagieren würde, wurde faktisch abgelöst durch die wiederholte Erklärung des Präsidenten, es würde Taipeh militärischen Beistand leisten.