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Panzerbrechende Granaten : Aufregung um Uran-Munition für Kiew

Ukrainische Soldaten vor einem Challenger-Kampfpanzer im Februar in Großbritannien Bild: EPA

Großbritannien will der Ukraine panzerbrechende Munition für seinen Kampfpanzer liefern. Diese enthält auch abgereichertes Uran. Russland sieht darin eine Art Atomwaffe.

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          Am Montag teilte das britische Verteidigungsministerium mit, dass es der Ukraine mit den zugesagten 28 Challenger-2-Kampfpanzern auch panzerbrechende Munition liefern werde, die abgereichertes Uran enthalte. Das war die Antwort auf eine Frage aus dem Oberhaus. Als der russische Präsident Putin das am Dienstag in einem Presseauftritt mit dem chinesischen Präsidenten Xi aufgriff, wurde daraus eine „Waffe mit nuklearer Komponente“ – also eine Art Atomwaffe.

          Thomas Gutschker
          Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

          Freilich hat das eine mit dem anderen nichts zu tun. Für Uranmunition wird abgereichertes Uran verwendet, das bei der Produktion von Brennstäben in Leichtwasser-Kraftwerken als Abfallprodukt übrig bleibt. Es besteht zu 99,8 Prozent aus dem schwach radioaktiven Isotop U-238, das thermisch nicht spaltbar ist. Für Nuklearwaffen wird dagegen das seltene Isotop U-235 in höchster Anreicherung benötigt.

          Abgereichertes Uran ist wegen seiner physikalischen Eigenschaften begehrt und wird seit Jahrzehnten für Munition verwendet, auch von Russland selbst. In Fachkreisen wird von DU-Munition gesprochen, das Akronym für Depleted Unranium. Es ist zweieinhalb Mal dichter als Stahl, und beim Aufprall schärft sich seine Spitze sogar noch. Deshalb können DU-Geschosse gepanzerte Ziele nur mit kinetischer Energie durchschlagen, ohne zusätzliche Sprengladung. Dann setzt der zweite Effekt ein: Das Metall schmilzt und setzt eine Wolke kleinster Partikel frei, die mit dem Luftsauerstoff reagieren und sich entzünden. Allein dieses Feuer ist für eine Panzerbesatzung in aller Regel tödlich.

          Erst recht gilt das, wenn dadurch Munition im Panzer explodiert. In westlichen Modellen werden Geschosse und Zünder deshalb in Spezialkammern gelagert, während sie in den meisten russischen Panzern im Turm untergebracht sind. Das führt bei Treffern zum sogenannten „Überkochen“ – die tonnenschwere Turmhaube wird durch den Explosionsdruck weggeschleudert.

          Die ukrainischen Streitkräfte dürften deshalb von sich aus um DU-Munition gebeten haben. Sie erhöht ihre Chancen russische Panzer bei Vorstößen auszuschalten, zumal westliche Modelle aus größerer Entfernung angreifen können. Das ist für die geplante Frühjahrsoffensive von Belang. Möglich ist, dass die Vereinigten Staaten auch Hartkernmunition für die Maschinenkanone ihrer Bradley-Schützenpanzer liefern, die sie Kiew zugesagt haben. Als ein Regierungsvertreter im Januar danach gefragt wurde, wollte er nicht in Details gehen.

          Auch für die Abrams-Kampfpanzer gibt es DU-Geschosse. Russland wiederum verfügt selbst über solche Munition für seine Panzer, ein Projektil namens „Vant“ aus den achtziger Jahren, und das neuere Projektil „Svinets“ in zwei Varianten.

          Die Organisation IPPNW, ein Zusammenschluss von Ärzten zur Verhütung des Atomkriegs, verurteilte am Mittwoch die Lieferung von DU-Munition an die Ukraine, weil sie zu „toxischen und radiologischen Langzeitschäden“ führe. Dies wird immer wieder auch über den Irak behauptet, wo die Vereinigten Staaten in den Golfkriegen von 1990/91 und 2003 große Mengen dieser Geschosse einsetzten. Berichtet wurde über eine erhöhte Zahl von Leukämie-Fällen und Missbildungen bei Neugeborenen, insbesondere aus der Stadt Falludscha. Dagegen verwies das britische Verteidigungsministerium auf eine Studie der Royal Society von 2002.

          Diese Untersuchung zu den radiologischen und toxischen Effekten kam zu dem Ergebnis, dass im schlimmsten Fall, bei einem direkten Treffer, einer von tausend (überlebenden) Soldaten mehr an Lungenkrebs sterben könnte als in der gewöhnlichen Vergleichsgruppe. In anderen Fällen schätzten die Wissenschaftler das erhöhte Risiko auf 1 zu 40.000; Langzeitfolgen durch die Kontamination der Umwelt hielten sie für noch geringer. Das Risiko durch Rauchen, an Krebs zu erkranken, sei weit höher – einer von sechs Rauchern stirbt daran.

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