Unruhen in Peru : Die verhasste Politik sucht nach dem Ausweg aus der Krise
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Ein Protestplakat in Cusco nennt Präsidentin Dina Boluarte Völkermörderin. Bild: AFP
Die Unruhen in Peru haben bereits mehr als 60 Tote gefordert. Derweil schafft es der Kongress nicht, die Mehrheit für vorgezogene Wahlen zusammenzubringen.
Auch nach zwei Monaten der blutigen Proteste mit Dutzenden Todesopfern in Peru ringen die politischen Kräfte weiter damit, die Lage im Land zu beruhigen. Auslöser war im Dezember ein versuchter Staatsstreich und die darauffolgende Absetzung und Verhaftung des früheren Präsidenten Pedro Castillo gewesen. Eine der Minimalforderungen der Demonstranten, die auch von der Bevölkerungsmehrheit getragen wird, ist die Durchführung von Neuwahlen.
Doch der Kongress windet sich. Am Mittwoch lehnte er einen Vorschlag ab, die Wahlen auf Dezember 2023 vorzuziehen. Der Vorschlag wurde mit 68 zu 54 Stimmen abgelehnt. Ein Teil der Gesetzgeber erachtet Neuwahlen für verfassungswidrig und beharrt darauf, dass es ihnen erlaubt sein sollte, ihre Amtszeit zu beenden. Laut Umfragen wollen fast drei Viertel der befragten Peruaner, dass noch in diesem Jahr gewählt wird.
Der Kongress hatte bereits kurz nach dem Ausbruch der Unruhen zugestimmt, die für 2026 vorgesehenen Wahlen auf April 2024 vorzuziehen, was jedoch keine Beruhigung herbeiführte. Seit Wochen halten die Unruhen und Straßenblockaden an. Etliche Verbindungsstraßen sind weiterhin blockiert, was die Versorgungslage in mehreren Regionen zuspitzt, wo Lebensmittel, Benzin und Gas knapp werden. In einigen Regionen ist auch die Trinkwasserversorgung beeinträchtigt.
Nachdem der Kongress die Abstimmung über Neuwahlen hinausgezögert hatte, kam es auch in den vergangenen Tagen wieder zu gewalttätigen Protesten. In der Hauptstadt Lima kam dabei ein weiterer Demonstrant ums Leben. Insgesamt wurden bei gewaltsamen Zusammenstößen seit Dezember bereits mehr als 60 Personen getötet, darunter ein Polizist. In Lima und anderen Städten des Landes sind auch in den kommenden Tagen Protestmärsche geplant.
Misstrauen gegenüber den Eliten
Die Demonstranten fordern nicht nur vorgezogene Wahlen, sondern auch die Auflösung des Kongresses, den Rücktritt von Präsidentin Dina Boluarte sowie die Freilassung von Castillo. Der frühere Präsident, mit dem sich gerade die Bevölkerung in den ländlichen Regionen stark identifiziert, befindet sich weiterhin in Untersuchungshaft. Hinter den Protesten steht auch eine tiefe und anhaltende Unzufriedenheit mit der hohen Armut und der Diskriminierung, die viele Peruaner in der Anden- und Amazonasregion empfinden. Gleichzeitig herrscht ein tiefes Misstrauen gegenüber der Elite in der Hauptstadt Lima und der Politik. Der Kongress, der als korrupt und eigennützig angesehen wird, hat laut einer jüngsten Umfrage eine Zustimmungsrate von gerade einmal sieben Prozent.
In diesen Tagen dürften die Abgeordneten über weitere Vorstöße abstimmen. Doch die Zersplitterung des Kongresses und die internen Machtkämpfe machen es schwierig, die nötige Mehrheit von 87 der 130 Stimmen zu erreichen. Einer der debattierten Vorstöße sieht vor, eine unverbindliche Volksabstimmung über eine neue Verfassung und eine Neuwahl des Kongresses abzuhalten, wofür lediglich eine einfache Mehrheit von 66 Stimmen nötig wäre. Die Ausarbeitung einer neuen Verfassung ist umstritten, hat in den vergangenen Wochen aber an Zustimmung gewonnen.
Präsidentin Boluarte hat den Kongress dazu aufgerufen, die Vorschläge „mit dem Verantwortungsbewusstsein und der Dringlichkeit zu betrachten, die das Land verlangt“. Auch Boluartes Regierung steht in der Kritik. Ihr werden ein repressives Vorgehen sowie Menschenrechtsverletzungen bei der Bekämpfung der Proteste vorgeworfen. In Umfragen sprechen sich drei Viertel der Befragten für ihren Rücktritt aus.