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Ungarns Mediengesetz : Weitreichende Kontrolle, hohe Bußen

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Der Tageszeitungsmarkt in Ungarn ist klar den politischen Lagern zuzuordnen

Der Tageszeitungsmarkt in Ungarn ist klar den politischen Lagern zuzuordnen Bild: dpa

Die ungarische Regierung schloss am Dienstag abermals Änderungen am neuen Mediengesetz aus, das mit der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft am 1. Januar in Kraft getreten ist. Doch was genau steht in dem umstrittenen Gesetz?

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          So viel Aufmerksamkeit wie zum Auftakt seiner halbjährigen EU-Ratspräsidentschaft bekommt Ungarn sonst selten. Einer der Gründe dafür ist das kurz vor Weihnachten mit der Zweidrittelmehrheit der Regierung Orbán im Budapester Parlament verabschiedete Medien-Gesetzespaket. Es ist am 1. Januar in Kraft getreten, parallel zur Übernahme des EU-Vorsitzes. Die Neuregelung wird die ungarische Medienlandschaft, wie von Orbáns Fidesz-Bürgerallianz und seinem christlich-demokratischen Verbündeten KDNP gewollt, nachhaltig verändern – und die Kritik daran, im Innern wie von außen, reißt nicht ab.

          Die für Medienfragen zuständige EU-Kommissarin Kroes äußerte „Sorgen und Zweifel“, die sie in einem Schreiben an die ungarische Regierung niederlegte. Sie bezögen sich auf das Gesetz selbst, auf dessen Vereinbarkeit mit der EU-Medienrichtlinie von 2007 sowie auf die Unabhängigkeit der neuen ungarischen Medienbehörde NMHH. Ihr antwortete der stellvertretende Ministerpräsident Navracsics – er ist zugleich Justizminister – in einem Brief, in dem er darlegte, dass „jedes Detail der neuen gesetzlichen Bestimmungen Entsprechungen in den Mediengesetzen der anderen Mitgliedstaaten“ finde und die neuen Mediengesetze seines Landes jeder Überprüfung standhielten. Am Donnerstag wird die gesamte Kommission aus Anlass der „EU-Stabübergabe“ von Belgien an Ungarn in Budapest sein, womit die Regierung Orbán Gelegenheit erhält, ihr Gesetz zu erklären.

          Die Kritiker des Gesetzes führen an, dass „das Mediengesetz den autoritären Bestrebungen der rechtskonservativen Partei Fidesz-MPSZ und der mitregierenden Christdemokraten“ diene, wie die Zeitung „Népszabadság“, ein einst kommunistisches, heute linksliberales Blatt, in ihrer Protestausgabe vom Montag schrieb. Es biete die Möglichkeit, dass jene, die eine andere Meinung verträten als die Regierung, „reguliert, bestraft, letztlich ruiniert werden“, indem es „alle Fernseh- und Rundfunksender, Printerzeugnisse und Internetportale der Kontrolle“ der von der Fidesz „kontrollierten Medienbehörde NMHH“ unterstelle.

          Die neue Behörde fasst zwei schon existierende zusammen

          Die Errichtung der „Nationalen Medien- und Infokommunikationsbehörde“, wofür die Abkürzung steht, wurde bereits am 11. August 2010 vom Parlament beschlossen. Sie fasst zwei vorher existierende Behörden zusammen: die NHH, die für die ungarische Telekom-Branche zuständig war, und die ORTT, die als Medienkontrollorgan fungierte. Laut ihrem Gründungsdokument ist die NMHH eine von anderen Behörden unabhängige Einrichtung und hat dem Parlament jedes Jahr Bericht über ihre Tätigkeit zu erstatten. Der Leiter oder die Leiterin der NMHH wird vom Ministerpräsidenten ernannt und für neun Jahre bestellt.

          Erste Amtsinhaberin ist die Fidesz-Medienpolitikerin und Orbán-Vertraute Annamária Szalai; sie steht zugleich dem fünfköpfigen Medienrat vor, dem direkten ORTT-Nachfolgeorgan, dem die Kontrolle der Medien hinsichtlich deren „ausgewogener Berichterstattung“ obliegt. Vier weitere Mitglieder hat der Medienrat; sie werden von einer Parlamentskommission nominiert, der Vertreter aller Parteien angehören. Kommt kein einmütiges Votum über die Kandidaten zustande, befindet die Kommission mit Zweidrittelmehrheit über jeden einzelnen. Mit Zweidrittelmehrheit wählt auch das Parlament die jeweils Nominierten. Die vier Mitglieder des Medienrats, die neben Annamária Szalai dem Medienrat angehören, sind keine aktiven Politiker, sondern Medienfachleute.

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