Ukrainische Regierung : Die Korruption lässt sie nicht los
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Übergangspräsident Jazenjuk mit dem Sprecher des ukrainischen Parlaments, Turchinov Bild: AFP
Die Swoboda-Partei belastet die ukrainische Regierung, ist aber nicht ihr einziges Problem. Auch die Leute in der Regierung, die des Extremismus unverdächtig sind, haben Makel.
Dieser Vorfall war keine Werbung für die Regierungskoalition in Kiew: Am Dienstag verschafften sich einige Abgeordnete der nationalistischen Partei „Swoboda“ Zugang zum Büro des Chefs des staatlichen Fernsehens in Kiew und zwangen ihn, eine Rücktrittserklärung zu schreiben. Auf einem Video der Aktion, das die Politiker auf Youtube veröffentlicht haben, ist zu sehen, wie der Abgeordnete Ihor Miroschnitschenko den Fernsehchef stößt, ins Gesicht schlägt und in den Schreibtischstuhl drückt. Er habe keine Gewalt angewendet, behauptete Miroschnitschenko später, er habe dem Journalisten nur „alles gesagt, was ich über ihn denke“. Mit seiner Art zu sagen, was er denkt, ist Miroschnitschenko schon früher negativ aufgefallen. Über die aus der Ukraine stammende Hollywood-Schauspielerin Mila Kunis äußerte er sich antisemitisch. Und eine Supermarkt-Kassiererin, die ihn auf russisch gefragt hatte, ob er für seine Einkäufe eine Tüte benötige, pöbelte er an.
Wegen der Schläge gegen den Fernsehchef ermittelt nun die Staatsanwaltschaft gegen Miroschnitschenko. Das ist eine heikle Angelegenheit – denn Generalstaatsanwalt Oleh Machnizkij ist auch ein „Swoboda“-Mann. Machnizkij versprach zwar, die Untersuchungen würden frei von politischen Überlegungen geführt, nährte aber sogleich Zweifel daran. Selbstverständlich müsse auch das Verhalten des Fernsehmannes näher betrachtet werden. Schließlich sei es die Pflicht der Ermittler, auch nach dem Motiv für eine Tat zu fragen. Na klar, die „Swoboda“-Leute waren wütend, dass der Sender die Rede des russischen Präsidenten Putin zum Anschluss der Krim an Russland live übertragen hatte.
Der Vorfall scheint alle Vorwürfe aus Moskau und von der Linkspartei in Deutschland zu bestätigen, in Kiew gäben nun „faschistische“ Krawallmacher den Ton an. Doch zeigten die schnellen und deutlichen Reaktionen, dass die Radikalen in Kiew einen schweren Stand haben. Ministerpräsident Arsenij Jazenjuk verurteilte Miroschnitschenkos Handeln umgehend, „Swoboda“-Parteiführer Oleh Tjahnybok schloss sich an und Vitali Klitschko forderte den Abgeordneten auf, sein Mandat niederzulegen. Unter den Journalisten, die in den vergangenen Monaten die Proteste gegen das Janukowitsch-Regime unterstützt hatten, brach ein Sturm der Entrüstung los - obwohl zwischen ihnen und dem Fernsehchef ein nicht überbrückbarer Graben liegt. Miroschnitschenko sah sich schließlich gezwungen, öffentlich um Entschuldigung zu bitten. Am Tag nach den Schlägen hatte er noch stolz gesagt, er habe alles richtig gemacht. Dem Generalstaatsanwalt Machnizkij wurde unmissverständlich deutlich gemacht, dass er unter scharfer Beobachtung durch Medien und Bürgerrechtsorganisationen steht.
Fast immer sind Makel im Lebenslauf geblieben
„Swoboda“ stellt seit dem Sturz Janukowitschs nicht nur den obersten Ankläger, sondern auch zwei Minister und einen stellvertretenden Ministerpräsidenten. Doch über viel Einfluss verfügen sie im Kabinett nicht: In den Ressorts der beiden Minister, Landwirtschaft und Umweltschutz, werden derzeit keine weitreichenden Entscheidungen getroffen. Auch der für humanitäre Fragen zuständige stellvertretende Ministerpräsident Oleksandr Sytsch hat kaum etwas zu sagen.
Sowohl in den wirtschaftlichen Schlüsselministerien als auch in den Sicherheitsressorts sind Personen am Steuer, die des Extremismus unverdächtig sind. Viele von ihnen haben Verwaltungs- und sogar Regierungserfahrung. Betrachtet man die Biografien einiger dieser Minister, wird deutlich, dass der Nationalismus der „Swoboda“-Leute nicht das eigentliche Problem in dieser Regierung ist. Wer im politischen System der Ukraine aufgestiegen ist, tat das in durch und durch korrupten Strukturen. Manche passten sich nur an, andere nutzten die Strukturen gezielt aus. Aber fast immer sind Makel im Lebenslauf geblieben.