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Vorfall über Schwarzem Meer : Ukrainer rechtfertigen amerikanischen Drohneneinsatz

  • Aktualisiert am

Eine unbemannte MQ-9 Reaper-Drohne der US-Luftwaffe Bild: dpa

Die Amerikaner machen die russische Seite für den Zusammenstoß ihrer Drohne mit dem russischen Kampfflugzeug über dem Schwarzen Meer verantwortlich. Russland indes weist jede Schuld von sich.

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          Die ukrainischen Luftstreitkräfte haben nach dem militärischen Zwischenfall über dem Schwarzen Meer den Einsatz von amerikanischen Aufklärungsdrohnen dort verteidigt. „Das Schwarze Meer ist kein Binnenmeer Russlands, so wie sie das Asowsche Meer besetzt haben und es für ihres halten“, sagte der Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte, Jurij Ihnat, im Fernsehen in Kiew in der Nacht zum Mittwoch. Anrainer des Schwarzen Meeres seien auch NATO-Mitglieder, darunter die Türkei und Rumänien, weshalb die amerikanischen Drohnen dort auf rechtlicher Grundlage agierten. Das Schwarze Meer grenzt sowohl an Russland als auch an die Ukraine.

          Moskaus Botschafter in Washington, Anatoli Antonow, hatte nach dem Zwischenfall kritisiert, dass die abgestürzte US-Drohne Tausende Kilometer weit von der Heimat entfernt in der Nähe der russischen Grenze im Einsatz sei. Es handele sich um eine „Provokation“. Die Drohne sammle Daten für die ukrainischen Streitkräfte, um so Schläge gegen Russland zu verüben. Das sei eine „unzulässige Tätigkeit“, sagte Antonow.

          Die Vereinigten Staaten hatten sich auf internationales Recht berufen, das den Einsatz über neutralen Gewässern erlaubt. Anstelle der abgestürzten sei bereits eine neue amerikanische Drohne im Einsatz, sagte Ihnat in Kiew. Der Zwischenfall ereignete sich demnach am Dienstag südöstlich der zur Ukraine gehörenden Schlangeninsel im Schwarzen Meer. Die Vereinigten Staaten hätten schon lange vor Beginn der großflächigen Invasion am 24. Februar vorigen Jahres dort das Monitoring und die Aufklärung geleistet.

          Nach Angaben des amerikanischen Militärs war eine unbemannte amerikanische Militärdrohne in internationalem Luftraum über dem Schwarzen Meer mit einem russischen Kampfflugzeug zusammengestoßen. Amerikanische Kräfte hätten die Drohne nach der Kollision zum Absturz bringen müssen.

          Moskau spricht von Ausweichmanöver

          Russland bestreitet, dass es einen physischen Kontakt gegeben habe. Die Drohne sei nach einem scharfen Ausweichmanöver mit der Wasseroberfläche kollidiert. Sie sei weder beschossen noch auf andere Weise angegriffen worden, heißt es in einer von der Staatsagentur Tass verbreiteten Mitteilung. Flugzeuge der Luftwaffe seien aufgestiegen, um einen unbekannten Eindringling über dem Schwarzen Meer zu identifizieren. Bei einem scharfen Ausweichmanöver habe die Drohne rapide an Höhe verloren und sei abgestürzt, lautete die Darstellung aus Moskau. „Die russischen Kampfflugzeuge haben keine Bordwaffen eingesetzt, sind nicht in Kontakt mit dem unbemannten Flugapparat geraten und kehrten sicher zu ihrem Heimatflughafen zurück.“

          Die amerikanische Regierung dagegen warnte Moskau vor einer Eskalation. Der Sprecher des Nationalen Sicherheitsrates, John Kirby, wies die Darstellung aus Moskau zurück. Man erwäge, Bildmaterial von dem Aufeinandertreffen der Drohne mit zwei russischen Kampfflugzeugen zu veröffentlichen, um für Aufklärung zu sorgen. Kirby mahnte, unangemessenes Vorgehen russischer Piloten könnte zu „Fehleinschätzungen“ zwischen den Streitkräften beider Länder führen. Mit Blick auf Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine sagte er: „Wir wollen nicht, dass dieser Krieg über das hinaus eskaliert, was er dem ukrainischen Volk bereits angetan hat.“ Das amerikanische Außenministerium bestellte den russischen Botschafter ein.

          Was genau geschah

          Vom amerikanischen Militär hieß es im Einzelnen zum Ablauf des Vorfalls, zwei russische Kampfflugzeuge hätten ein Abfangmanöver mit der amerikanischen Drohne vom Typ MQ-9 betrieben, die im internationalen Luftraum über dem Schwarzen Meer geflogen sei. Eins der Kampfflugzeuge habe dabei den Propeller der amerikanischen Drohne getroffen und sei im Grunde in die Drohne hineingeflogen. Diese sei danach nicht mehr manövrierfähig gewesen, amerikanische Kräfte hätten sie deshalb vom Himmel holen und ins Meer stürzen lassen müssen. Durch den Zusammenstoß habe man die Drohne verloren. Zu einer möglichen Bergung des Fluggeräts äußerte sich das Pentagon zunächst nicht. Kirby sagte lediglich, die Vereinigten Staaten hätten Vorkehrungen getroffen, damit die Drohne nicht in fremde Hände gerate.

          Pentagon-Sprecher Pat Ryder erklärte, der Vorfall habe vermutlich auch an dem russischen Kampfflugzeug einen Schaden verursacht. Die beiden russischen Flugzeuge hätten sich etwa 30 bis 40 Minuten in der Nähe der Drohne aufgehalten, bevor es zur Kollision gekommen sei. Vor dem Zusammenstoß hätten die russischen Flieger Treibstoff über der amerikanischen Drohne abgelassen und seien mehrfach vor dieser hergeflogen – in unverantwortlicher, umweltschädlicher und unprofessioneller Weise.

          Die MQ-9-Drohne wird in erster Linie zur Aufklärung genutzt, kann aber auch Präzisionsangriffe durchführen. Sie wird aus der Ferne gesteuert. Das Pentagon wollte keine genaueren Angaben dazu machen, was genau die Mission der Drohne in diesem Fall gewesen sei und ob sie bewaffnet war oder nicht.

          Abfangmanöver haben nicht unbedingt zum Ziel, ein Flugzeug abzudrängen oder zur Landung zu zwingen, sondern dienen oft dazu, um etwa durch Sichtkontakt festzustellen, ob von einem verdächtigen Fluggerät eine Gefahr ausgeht. Kirby hob hervor, solche Abfangmanöver seien nicht ungewöhnlich. Dieser Fall steche allerdings heraus durch das unsichere und unprofessionelle Vorgehen der russischen Seite.

          Das amerikanische Militär kritisierte, der Vorfall reihe sich ein in eine Serie gefährlicher Aktionen von russischen Piloten gegenüber Flugzeugen der Vereinigten Staaten und der Alliierten im internationalen Luftraum, auch über dem Schwarzen Meer. Diese „aggressiven Handlungen“ der Russen seien gefährlich und könnten zu „unbeabsichtigten Eskalationen“ führen.

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