Die Lage in der Ukraine : Nach den Kampfpanzern hofft Selenskyj auf mehr
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Kanadische Truppen trainieren mit einem Leopard-2-Kampfpanzer. Bild: Canadian Armed Forces via Reuters
Auch Kanada will der Ukraine Leopard-2-Panzer liefern. Polen führt die Diskussion über Kampfflugzeuge an. Und in Deutschland beginnt die Ausbildung der Ukrainer an Marder-Schützenpanzern.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Bedarf an weiteren Waffenlieferungen über die nun zugesagten Kampfpanzer hinaus bekräftigt. „Die russische Aggression kann nur mit adäquaten Waffen gestoppt werden“, sagte Selenskyj in seiner abendlichen Videoansprache am Donnerstag.
Die Ukraine brauche für die Abwehr der seit elf Monaten andauernden russischen Invasion unter anderem auch Kampfflugzeuge. „Der Terrorstaat wird es anders nicht verstehen“, begründete Selenskyj seine Forderung nach weiteren Waffenlieferungen. Die jüngste russische Angriffswelle mit mindestens elf Toten wenige Stunden zuvor habe das noch einmal gezeigt, betonte er.
Am Mittwoch hatte die Bundesregierung entschieden, in einem ersten Schritt 14 Leopard-Kampfpanzer des Typs 2A6 an die ukrainischen Streitkräfte zu übergeben. Auch andere Länder sollten eine Genehmigung erhalten, um die in Deutschland hergestellten Panzer an das angegriffene Land weitergeben zu können. Darüber hinaus wollen die USA Abrams-Kampfpanzer beisteuern.
Selenskyj hatte sich dafür bei Bundeskanzler Scholz und US-Präsident Joe Biden bedankt – allerdings auch direkt auf die zusätzliche Lieferung von Langstreckenraketen, Kampfflugzeugen und mehr Artillerie gepocht. Scholz hat eine Lieferung von Kampfflugzeugen oder gar die Entsendung von Bodentruppen allerdings ausgeschlossen.
Polen für Lieferung von Kampfflugzeugen
Polens Regierung wiederum würde es unterstützen, wenn die NATO eine Lieferung von Kampfflugzeugen an die Ukraine beschließen sollte. „Ich glaube, wir, die NATO, müssen mutiger sein“, sagte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki dem französischen Sender LCI. Aber natürlich könne es sich nur um eine Entscheidung der NATO als Ganzes handeln, sagte der Regierungschef.
Die USA und Frankreich schließen eine Lieferung von Kampfflugzeugen nicht aus. Der stellvertretende Nationale Sicherheitsberater von US-Präsident Biden, Jon Finer, sagte MSNBC, man habe kein bestimmtes Waffensystem ausgeschlossen und werde die Unterstützung danach ausrichten, was die Ukraine brauche. „Wir werden das sehr sorgfältig diskutieren“, sagte Finer am Donnerstag.
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende des Verteidigungsausschusses der französischen Nationalversammlung, Thomas Gassilloud, britischen Medienberichten zufolge am Donnerstag in London: „Wir müssen Anfragen von Fall zu Fall untersuchen und alle Türen offen lassen.“
Kanada schickt vier Leopard-Kampfpanzer
Selenskyj dankte in seiner jüngsten Ansprache insbesondere Kanada, das wenige Stunden zuvor angekündigt hatte, ebenfalls vier Leopard-Panzer zu liefern. Damit bestehe die „Panzer-Koalition“ nun schon aus zwölf Ländern. Die Lieferung der Kampfpanzer werde „in den kommenden Wochen“ erfolgen, sagte Kanadas Verteidigungsministerin Anita Anand. Zudem sollten kanadische Soldaten ihre ukrainischen Pendants bei der Inbetriebnahme der Panzer unterstützen. Kanada denke darüber nach, zu einem späteren Zeitpunkt weitere Panzer zu schicken.
Erste Ukrainer für Panzer-Ausbildung in Deutschland
In Deutschland trafen die ersten ukrainischen Soldaten für eine Ausbildung am Schützenpanzer Marder ein. Die Gruppe landete am Donnerstag in Köln und solle zeitnah mit dem Training an dem Waffensystem beginnen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur aus Sicherheitskreisen. Die Ausbildung ist Teil der Militärhilfe für die Ukraine, der 40 Marder überlassen werden sollen. Die USA schicken der Ukraine Schützenpanzer vom Typ Bradley.
Die Lieferung von Abrams-Kampfpanzern ist nach den Worten der US-Regierung kein „symbolischer“ Akt. Sie höre Aussagen, wonach die Ankündigung der USA nur dazu gedient habe, für Verbündete den Weg für Panzerlieferungen freizumachen, sagte Pentagon-Sprecherin Sabrina Singh. Dies sei jedoch nicht der Fall. Die US-Kampfpanzer würden der Ukraine auf dem Schlachtfeld einen Vorteil verschaffen, so Singh weiter. Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine könne sich noch über Jahre hinziehen. Die Bereitstellung der Abrams-Panzer zeige daher das langfristige Engagement der USA.
Explosionen nahe des Atomkraftwerks
Die Atomaufsichtsbehörde der Vereinten Nationen meldete am Donnerstag mehrere starke Explosionen in der Nähe des von Russland besetzten Atomkraftwerks Saporischschja und forderte erneut eine Sicherheitszone um die Anlage. „Gestern waren gegen 10 Uhr Ortszeit acht starke Detonationen zu hören und heute gab es wieder welche“, sagte IAEA-Chef Rafael Grossi in einer Erklärung. Rosenergoatom, der Betreiber der russischen Kernkraftwerke, nannte die Äußerungen unbegründet und eine Provokation.
Nach Angaben des ukrainischen Militärs gab es in der Nacht zudem eine Welle neuer Angriffe. Dabei wurden mehreren Regionen mindestens 11 Menschen getötet, sagte ein Sprecher des staatlichen Katastrophenschutzes. Luftalarm begleitet auch den morgendlichen Berufsverkehr in der Hauptstadt Kiew. Dort suchen die Menschen Schutz in den U-Bahn-Stationen.
Europarat fordert Tribunal zu Krieg in Ukraine
Die Parlamentarische Versammlung des Europarats forderte einstimmig die Einrichtung eines internationalen Kriegsverbrechertribunals. Das Tribunal in Den Haag solle die politischen und militärischen Anführer Russlands und seines Verbündeten Belarus verfolgen, die den Angriffskrieg gegen die Ukraine „geplant, vorbereitet, eingeleitet oder ausgeführt“ hätten, erklärte die Versammlung der Organisation, die kein Teil der EU ist, in Straßburg.
Japan friert die Guthaben weiterer russischer Personen und Organisationen ein. Wie die japanische Nachrichtenagentur Kyodo am Freitag unter Berufung auf die Regierung in Tokio berichtete, betrifft dies 36 Personen und 52 Organisationen, darunter russische Politiker, Offiziere, Geschäftsleute und Unternehmen. Neben dem Einfrieren von Guthaben umfassen die zusätzlichen Sanktionen auch Exportverbote.