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Krieg gegen die Ukraine : Verheerender Raketenbeschuss mit vielen Toten in Dnipro

  • Aktualisiert am

Rettungskräfte sind auf dem zerstörten Wohnblock in Dnipro im Einsatz. Bild: Reuters/Clodagh Kilcoyne

In einem Wohnblock starben viele Zivilisten bei Russlands erstem Großangriff 2023. Womöglich kamen Raketen auch aus Belarus. Nach der britischen Kampfpanzer-Zusage wächst der Druck auf Berlin, ebenfalls zu liefern.

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          Nach den neuen russischen Raketenattacken auf die Ukraine mit Toten und Verletzten in der Stadt Dnipro hat die Führung des angegriffenen Landes mehr Waffen vom Westen gefordert. Der Terror lasse sich stoppen mit westlichen Waffen, auf die die ukrainische Armee warte, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Samstag in seiner abendlichen Videobotschaft. Zuvor hatte er Großbritannien gedankt, das als erstes Land westliche Kampfpanzer an die Ukraine liefern will. Das sei ein Signal für andere Partner der Ukraine, ebenso zu handeln.

          Großbritannien will der Ukraine in den kommenden Wochen 14 Kampfpanzer vom Typ Challenger 2 zur Abwehr der russischen Angreifer zur Verfügung stellen. Das teilte die britische Regierung mit, nachdem Premierminister Rishi Sunak am Samstag mit Selenskyj telefoniert hatte. Die britischen Verteidigungs- und Sicherheitsbehörden sähen eine Gelegenheit zum Handeln, da Russland „wegen Versorgungsengpässen und schwindender Moral (seiner Truppen) in die Defensive geraten ist“. Verbündete sollten ihre für 2023 geplante Unterstützung für die Ukraine „sobald wie möglich auf den Weg zu bringen, um maximale Wirkung zu erzielen“, hieß es aus London.

          Die Ukraine hat bislang keine Kampfpanzer westlicher Bauart geliefert bekommen, sondern nur sowjetische Modelle aus dem Bestand osteuropäischer NATO-Länder. Kiew fordert seit langem die Lieferung des deutschen Panzers Leopard 2, der den russischen Panzern technisch überlegen ist. Polen und Finnland haben sich bereiterklärt, im europäischen Verbund Leopard-Panzer zu liefern. Die Bundesregierung hat sich noch nicht dazu positioniert.

          Am Freitag kommender Woche werden die Verteidigungsminister der westlichen Verbündeten der Ukraine auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz über weitere militärische Unterstützung für das Land beraten. Vor den Verhandlungen forderte der ukrainische Botschafter Oleksii Makeiev die Bundesregierung eindringlich auf, schnell Leopard2 an sein Land zu liefern. „Deutsche Waffen, deutsche Panzer sind überlebenswichtig“, sagte er im dpa-Interview. „Zum Diskutieren haben wir sehr wenig Zeit. Und wir erwarten, dass unsere Verbündeten das auch verstehen und richtig handeln.“

          Viele zivile Opfer bei Treffer auf Wohnhaus

          In Dnipro, wo bei einem Raketenangriff auf einen Wohnblock laut vorläufigen Behördenangaben mindestens 23 Menschen getötet worden waren, dauerte in der Nacht zum Sonntag die Suche nach Verschütteten an. Mehr als 60 Menschen seien verletzt worden, darunter mindestens zwölf Kinder. Unter den Toten sei ein 15 Jahre altes Mädchen, hieß es. Es gebe noch Überlebende in den Trümmern, die SMS absetzten oder um Hilfe riefen, sagte ein Sprecher der Einsatzkräfte.

          Helfer zogen die Menschen aus dem Schutt des teils eingestürzten Hauses. Laut Einsatzkräften wurden 72 Wohnungen zerstört. Insgesamt seien in dem Haus zwischen 100 und 200 Menschen gemeldet gewesen.

          Die Leiche eines bei dem Angriff auf Dnipro getöteten Mannes wird geborgen.
          Die Leiche eines bei dem Angriff auf Dnipro getöteten Mannes wird geborgen. : Bild: AP/Evgeniy Maloletka

          Laut Selenskyj traf Russland mit seinem Raketenbeschuss abermals die ukrainische Energie-Infrastruktur – besonders hart in der Region Charkiw im Osten und in der Hauptstadt Kiew. Dort liefen die Arbeiten für eine Wiederherstellung der Versorgung auf Hochtouren. Insgesamt habe es in sechs Gebieten des Landes Stromausfälle gegeben.

          In der benachbarten Republik Moldau beklagte die Regierung abermals, Raketenteile seien auf ihr Staatsgebiet gefallen.

          Erster russischer Großangriff 2023

          Russland hatte am Samstagmorgen und am Nachmittag Ziele in der Ukraine beschossen. Im ganzen Land galt zeitweise Luftalarm. Zahlreiche russische Langstreckenbomber vom Typ Tupolew Tu-95 waren in der Luft. Zudem wurden Raketen von Kriegsschiffen im Schwarzen Meer abgefeuert. Es war der erste russische Großangriff dieser Art seit dem Jahreswechsel. Das ukrainische Militär teilte mit, von 38 russischen Raketen seien 25 abgeschossen worden. Diese und andere Angaben zum Kampfgeschehen ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

          In Kiew waren am Morgen Explosionsgeräusche zu hören, wie sie entstehen, wenn die Flugabwehr Raketen oder Drohnen abschießt. Der Sprecher der ukrainischen Luftstreitkräfte, Juryj Ignat, sagte einem Bericht der Internetzeitung „Ukrajinska Prawda“ zufolge, bei den Angriffen könnte es sich um ballistische Raketen gehandelt haben, die aus nördlicher Richtung gekommen seien. Demnach könnten die Raketen von Belarus aus abgeschossen worden sein. Russland hatte dorthin Truppen und Technik verlegt.

          Die Ukraine habe keine effektiven Mittel der Ortung und Vernichtung ballistischer Raketen, sagte Ignat. So erklärte er auch, dass der Luftalarm am Samstagmorgen erst verspätet eingesetzt hatte. Viele Bürger hatten sich darüber gewundert. Im Gebiet von Kiew wurden Behörden zufolge 28 Gebäude beschädigt.

          Russland greift seit Oktober besonders Objekte der Energie-Infrastruktur an, um die Menschen zu demoralisieren und von der ukrainischen Führung mögliche Zugeständnisse in dem Krieg zu erzwingen. Selenskyj will erst bei einem vollständigen russischen Truppenabzug mit Moskau über einen Frieden verhandeln.

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