Mögliche Kriegsverbrechen : Ukrainische Polizei findet Folterkammern in Cherson
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Ein zerstörter russischer Panzer ist auf einem Weg in einem kürzlich befreiten Dorf am Rande von Cherson zu sehen. Das Bild wurde am 16. November 2022 aufgenommen. Bild: dpa
Die ukrainische Polizei will im befreiten Gebiet Cherson Hinweise auf russische Kriegsverbrechen gefunden haben. Laut Innenminister Monastyrskyj sind bisher 63 Leichen gefunden werden.
Nach dem Ende der russischen Besatzung in Cherson hat die ukrainische Polizei dort wie in anderen befreiten Gebieten Hinweise auf mutmaßliche Verbrechen gefunden. An elf Orten seien Menschen gefangengehalten worden seien, sagte Innenminister Denys Monastyrskyj am Mittwochabend im ukrainischen Fernsehen. An vier dieser Orte gebe es Hinweise, dass Gefangene gefoltert worden seien. Ermittler sicherten dort Beweise und befragten Zeugen. Auch Leichen würden exhumiert.
„Bislang sind in der Region Cherson 63 Leichen gefunden worden“, sagte Monastyrskyj. „Aber wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass die Suche gerade erst begonnen hat und noch viele weitere Folterkammern und Grabstätten entdeckt werden.“ Unabhängige Bestätigungen gab es zunächst nicht. Allerdings wurden auch in den Gebieten Kiew und Charkiw Folterkammern und Gräber Ermordeter gefunden, als diese wieder unter ukrainische Kontrolle kamen.
„Verbot von Folter ist absolut“
Im russischen Krieg gegen die Ukraine sind Kriegsgefangene nach Erkenntnissen von UN-Menschenrechtsexperten auf russischer und auf ukrainischer Seite misshandelt und gefoltert worden. Das berichtete die Leiterin der UN-Menschenrechtsdelegation in der Ukraine, Matilda Bogner, am Dienstag aus Kiew zugeschaltet in Genf. Bogner gab Berichte der Gefangenen wieder, die die Misshandlungen und Folter detailliert schilderten. „Das Verbot von Folter und Misshandlung ist absolut, selbst – oder besser besonders – in Zeiten bewaffneter Konflikte“, sagte Bogner.
Ein ukrainischer Gefangener, der von mit Russland verbündeten Konfliktparteien festgehalten wurde, habe berichtet, er sei mit Elektroschocks an Nase und Genitalien gefoltert worden. Auf der anderen Seite habe es glaubhafte Berichte über die Tötung von Menschen gegeben, die zu der Zeit nicht in Kampfhandlungen waren, ebenso wie Misshandlungen bei der Gefangennahme und dem Transport. Wie viele Kriegsgefangene beide Seiten genommen haben, wusste Bogner nicht. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) bemüht sich seit Monaten um ungehinderten Zugang zu den Menschen. Das IKRK soll über die Einhaltung Genfer Konventionen wachen, die unter anderem die humane Behandlung von Kriegsgefangenen vorschreiben.
Bogner sagte, nur die ukrainische Seite habe den Experten Zugang zu gefangenen Soldaten gewährt. Mit ukrainischen Gefangenen hätten sie nach ihrer Freilassung aus russischem Gewahrsam gesprochen. Die Delegation hat in den vergangenen Monaten 159 Kriegsgefangene gesprochen, die von Russland oder verbündeten Konfliktparteien festgehalten wurden, darunter 20 Frauen. In ukrainischer Gefangenschaft wurden 175 Männer gesprochen.
Viele Ukrainer berichteten, dass sie bei der Festnahme geschlagen wurden. Sie seien in Lastwagen gepfercht und teils mehr als einen Tag ohne Wasser oder Zugang zu Toiletten transportiert worden. Einige sagten, sie seien in Lagern geschlagen, bedroht, eingeschüchtert, erniedrigt, sexuell misshandelt oder von Hunden attackiert worden. Dies sei vor allem in Gefangenenlagern in Russland passiert, sagte Bogner. In einem Lager sollen im April acht Menschen gestorben sein. Einige Frauen berichteten von Stromschlägen und Schlägen oder wurden gezwungen, nackt von Raum zu Raum zu laufen.