https://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/ukraine-hausdurchsuchung-bei-einem-oligarchen-18649734.html

Korruption in der Ukraine : Hausbesuch bei einem Oligarchen

Bilder des Kiewer Büros für Wirtschaftssicherheit zeigen die Durchsuchung bei Kolomojskyj. Bild: EPA

Alte und neue Fälle von Amtsmissbrauch beschäftigen in Kiew die Behörden. Nun stehen auch der einflussreiche Oligarch Ihor Kolomojskyj und der ehemalige Innenminister im Zentrum der Ermittlungen.

          2 Min.

          Nach der Aufdeckung einer Reihe von Korruptionsfällen in der Ukraine setzen die Behörden ihren Kampf gegen Be­stechlichkeit unter Selenskyjs Formel „Ge­rechtigkeit für alle“ fort. Am Mittwoch fanden an mehreren Orten im Land weitere Durchsuchungen statt. In der Mil­lionenstadt Dnipro kamen Ermittler des Geheimdienstes SBU und des Büros für Wirtschaftssicherheit zu dem Unternehmer Ihor Kolomojskyj, der vor dem Krieg noch als Dollar-Milliardär zu den fünf reichsten Menschen des Landes ge­zählt wurde.

          Gerhard Gnauck
          Politischer Korrespondent für Polen, die Ukraine, Estland, Lettland und Litauen mit Sitz in Warschau.

          Die Ermittler trafen den Oligarchen in Filzschlappen und einem winterfesten Trainingsanzug zu Hause an; ein Foto von ihm in dieser Aufmachung wurde da­raufhin in ukrainischen Medien verbreitet. Die Ermittler verdächtigen ihn, als Ko-Eigner der größten Unternehmen von Ölförderung und Ölverarbeitung im Land, Ukrnafta beziehungsweise Ukrtatnafta, an der „Zweckentfremdung“ von umgerechnet einer Milliarde Euro beteiligt gewesen zu sein.

          Seit Kriegsbeginn war Kolomojskyjs Vermögen laut Medienberichten ohnehin um etwa die Hälfte auf 850 Millionen Dollar geschrumpft. Dazu hat beigetragen, dass die beiden kriegswichtigen Firmen im November vorübergehend, „bis zum Ende des Kriegszustands“ unter Staatsverwaltung gestellt wurden. Die Be­stimmungen von 2012 über den Kriegszustand sehen eine solche Möglichkeit vor; danach muss der Eigentümer die Firmen zurückerhalten oder entschädigt werden.

          Selenskyj zeigte Kolomojskyj die kalte Schulter

          Der Fall Kolomojskyj wurde jedoch vor allem deshalb aufmerksam beobachtet, weil der Oligarch auch im Mediengeschäft ein großer Akteur ist. Auch dessen Fernsehsender 1+1 verdankt der heutige Präsident Selenskyj seine Beliebtheit; dort hatte der Schauspieler und Komiker in der Serie „Der Diener des Volkes“ ei­nen Lehrer gespielt, der als rechtschaf­fener Mensch durch glückliche Umstände zum Präsidenten wird und als solcher energisch die Korruption bekämpft.

          Manche befürchteten, Selenskyj werde dem Oligarchen nach seinem Wahlsieg 2019 einen „Gefallen“ tun – zum Beispiel hatte sich in Kolomojskyjs „Privatbank“, dem größten Geldinstitut der Ukraine, ein Milliarden-Dollar-Loch aufgetan. Im Rahmen der Sanierung des Bankensektors wurde die Bank daher 2016 verstaatlicht. Nach dem Machtwechsel von Petro Poroschenko zu Selenskyj erhob der Oligarch lautstark Anspruch auf sein frü­heres Eigentum oder auf Entschädigung. Aber der politische Quereinsteiger Se­lenskyj, der mit dem Versprechen der Be­kämpfung der Korruption angetreten war, zeigte Kolomojskyj die kalte Schulter. Mancherlei Befürchtungen, Selenskyj könnte sich Kolomojskyj verpflichtet fühlen, haben sich nicht bestätigt.

          Amerikanische Experten in der Ukraine

          Auch ein politisches Schwergewicht der letzten neun Jahre, also der Ukraine nach der Maidan-Revolution, bekam jetzt ungebetenen Besuch: Arsen Awakow. Der langjährige Innenminister galt als ei­ner der mächtigsten Männer dieser Zeit, zunächst auch unter Selenskyj. Jetzt fand auch bei ihm eine Durchsuchung statt. Awakow sagte danach zu Journalisten, den Ermittlern sei es um den Kauf von Hubschraubern der Firma Airbus durch das Innenministerium 2018 gegangen; sie hätten Dokumente gesichtet. Einer der Hubschrauber war im Januar während ei­nes Dienstflugs bei Kiew abgestürzt. Unter anderem kam dabei Awakows Nachfolger, Denys Monastyrskyj, ums Leben.

          Darüber hinaus gab es weitere Durchsuchungen von Amtsträgern niedrigeren Ranges – etwa bei Oksana Datij, die 2022 kommissarisch zur Chefin der Steuer­behörde der Stadt Kiew ernannt worden war. Sie soll unter anderem drei teure Wohnungen in Kiew besitzen und in ih­ren Vermögenserklärungen, die Politiker und Beamte regelmäßig vorlegen müssen, gelogen haben.

          Im Januar haben die Vereinigten Staaten eine behördenübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, die mögliche Veruntreuungen amerikanischer Hilfslieferungen während des Krieges an die Ukraine un­tersuchen soll. Diese Gruppe besteht un­ter anderem aus Inspekteuren des Verteidigungsministeriums, des Außenministeriums und der Hilfsorganisation USAID. Wie die „Ukrainska Prawda“ berichtet, sind Ende Januar Vertreter dieser Behörden in die Ukraine gereist, um vor Ort In­formationen zu sammeln.

          Weitere Themen

          Lehrer sollen künftig mehr arbeiten

          Baden-Württemberg : Lehrer sollen künftig mehr arbeiten

          Die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper will mit einem Maßnahmenpaket den Lehrkräftemangel bekämpfen. Darunter wird wohl die „Work-Life-Balance“ der Lehrer leiden.

          Topmeldungen

          Auf dem Weg: Ein ICE verlässt den Frankfurter Hauptbahnhof.

          Geldsegen für die Schiene : Die Bahn im Glück – und im Zugzwang

          Die Deutsche Bahn musste tief sinken, damit die Politik den Ernst ihrer Lage erkennt. Doch bald fließt das Geld, dann gibt es für Verspätungen und unzufriedene Kunden keine Ausreden mehr.
          Carbonara aus Italien? Laut einem italienischen Professor stammt das Gericht eigentlich aus Chicago.

          Italienische Traditionsküche : Kommt die Carbonara aus Amerika?

          Carbonara aus Illinois, Parmesan aus Wisconsin: Ein italienischer Professor für Geschichte der Ernährung behauptet, dass viele traditionelle italienische Speisen gar nicht aus Italien kommen. Die Aufregung ist groß.
          Eine Lehrerin schreibt in einer Grundschule in Baden-Württemberg Wörter an eine Tafel.

          Baden-Württemberg : Lehrer sollen künftig mehr arbeiten

          Die baden-württembergische Kultusministerin Theresa Schopper will mit einem Maßnahmenpaket den Lehrkräftemangel bekämpfen. Darunter wird wohl die „Work-Life-Balance“ der Lehrer leiden.

          Newsletter

          Immer auf dem Laufenden Sie haben Post! Die wichtigsten Nachrichten direkt in Ihre Mailbox. Sie können bis zu 5 Newsletter gleichzeitig auswählen Es ist ein Fehler aufgetreten. Bitte versuchen Sie es erneut.
          Vielen Dank für Ihr Interesse an den F.A.Z.-Newslettern. Sie erhalten in wenigen Minuten eine E-Mail, um Ihre Newsletterbestellung zu bestätigen.