Ukraine : Empörung über Misshandlung Julija Timoschenkos
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Julija Timoschenko während einer Anhörung im Gericht in Kiew (Juni 2011) Bild: dpa
Deutschland hat abermals den Umgang der ukrainischen Behörden mit der ehemaligen Ministerpräsidentin Timoschenko kritisiert. Die Menschenrechtsbeauftragte der Kiewer Regierung warf den Vollzugsbehörden Folter vor.
Die Menschenrechtsbeauftragte der ukrainischen Regierung hat im Fall Julija Timoschenko Foltervorwürfe gegen die Vollzugsbehörden erhoben. Die Umstände des Transports der inhaftierten Oppositionsführerin in ein Krankenhaus in Charkiw am vergangenen Freitag könnten „als Folter bewertet werden“, teilte die Ombudsfrau Nina Karpatschowa in einer am Mittwoch veröffentlichten Erklärung mit. Darin heißt es weiter, ein Vertreter ihrer Institution habe Frau Timoschenko am Dienstagabend unangemeldet besucht und bei ihr Blutergüsse an den Armen sowie „einen Bluterguss von bedeutender Größe“ am Bauch festgestellt.
Das bestätigt die Angaben des Anwalts der früheren ukrainischen Ministerpräsidentin, die sich seit Freitag im Hungerstreik befindet. Über den Anwalt war am Dienstag bekannt geworden, dass Frau Timoschenko am Freitagabend vor dem Transport in ein Krankenhaus von drei Männern, unter ihnen der stellvertretende Gefängnisdirektor, unter anderem mit einem Faustschlag in den Bauch misshandelt worden sei.
In Berlin sagte Außenminister Westerwelle, die Bundesregierung sei „in tiefer Sorge“ über den Gesundheitszustand Frau Timoschenkos. Diese Sorge gelte aber auch den anderen in Haft schwer erkrankten Oppositionellen in der Ukraine. Die Bundesregierung erwarte, dass Frau Timoschenko eine angemessene medizinische Behandlung zukomme. Regierungssprecher Seibert sagte zu den Berichten über die Gewaltanwendung gegen Frau Timoschenko: „Wenn diese Berichte zutreffen, dann wäre das Vorgehen der ukrainischen Strafvollzugsbehörden inakzeptabel und vollkommen unverhältnismäßig.“ Das Vorgehen gegen sie und andere Oppositionspolitiker sei mit den europäischen Werten nicht vereinbar. „Das Strafrecht darf eben nicht dazu missbraucht werden, Demokratie zu beschneiden“, sagte Seibert.
Westerwelle: Angebot zur Behandlung steht
Westerwelle sagte weiter, die Anfrage der ukrainischen Regierung, deutsche Ärzte zur Behandlung von Frau Timoschenko in die Ukraine zu schicken, habe man zur Kenntnis genommen. Es müsse „medizinisch“ geprüft werden, „ob und unter welchen Voraussetzungen“ dies ein sinnvoller medizinischer Beitrag sein könne. Zudem sagte Westerwelle, „das Angebot der Bundesregierung für eine medizinische Behandlung Julija Timoschenkos in Deutschland steht“. Er habe dieses noch einmal persönlich seinem ukrainischen Amtskollegen unterbreitet.
Der Neurologe Karl Max Einhäupl von der Berliner Charité, der Frau Timoschenko zweimal in der Ukraine untersucht hat, sagte der F.A.Z., eine Therapie für die Gefangene „erfordert die enge Kooperation mehrerer Fachrichtungen, darunter Schmerztherapeuten, Neurologen, Orthopäden und Psychosomatiker, wie sie zum Beispiel an der Charité als eingespieltes Team tätig sind“. Dass ein mehrköpfiges Ärzteteam zu einer voraussichtlich viele Wochen dauernden Behandlung in die Ukraine entsandt werden kann, erscheint indes unwahrscheinlich.
Außenminister Westerwelle und Innenminister Friedrich sprachen sich gegen einen Boykott der Fußball-Europameisterschaft in der Ukraine aus. Die EM sei im Gegenteil eine „gute Gelegenheit“, genau hinzusehen, wie die Lage der Menschenrechte in der Ukraine sei. Friedrich, der auch Sportminister ist, sagte, Boykottideen seien „nicht geeignet, dem, was Sport ausdrücken will – nämlich das Völkerverbindende und den fairen Wettbewerb der Jugend –, gerecht zu werden“. Seibert sagte aber, in die Überlegungen, ob Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem der Spiele in der Ukraine reisen könnte, würden die politischen Entwicklungen einfließen. DFB-Präsident Niersbach teilte mit, er teile die Haltung der Bundesregierung.
Russland fordert humanen Umgang
Einen humanen Umgang mit Frau Timoschenko forderte in einer Erklärung auch das russische Außenministerium. Moskau hatte schon den ersten Prozess gegen Frau Timoschenko kritisiert, in dem sie wegen angeblichen Amtsmissbrauchs im vergangenen Oktober zu sieben Jahren Haft verurteilt worden war.
Während Vertreter des ukrainischen Regimes mit verschiedenen Äußerungen in Zweifel zu ziehen versuchten, ob sich die Gefangene tatsächlich im Hungerstreik befindet, ist ihr von der Gefängnisleitung nach Angaben des Fraktionsvorsitzenden des „Blocks Julija Timoschenko“ (BJuT) im ukrainischen Parlament Andrej Koschemjakin schon mit Zwangsernährung durch eine Sonde gedroht worden. Eine Gruppe von BJuT-Abgeordneten sowie Frau Timoschenkos Tochter hatten am Mittwoche eine Besuchserlaubnis erhalten. Die Oppositionsfraktionen blockierten unterdessen weiter den Plenarsaal des ukrainischen Parlaments.