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Botschafter einbestellt : Kiew empört über Orbáns Vergleich mit Afghanistan

Viktor Orbán behauptet, Putin wolle aus der Ukraine ein „unregierbares Wrack“ machen. Bild: dpa

Ungarns Ministerpräsident hat in einem Mediengespräch aus seinem Herzen keine Mördergrube gemacht. Die Ukraine sei Niemandsland. In der EU bleibe man notgedrungen.

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          Zwischen Ungarn und der Ukraine hat sich ein diplomatischer Eklat ereignet. Wegen einer Äußerung des ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orbán, der den Zustand der Ukraine mit dem Afghanistans verglichen und sie als eine Art Niemandsland bezeichnet hatte, wurde der ungarische Botschafter in Kiew ins Außenministerium einbestellt. Die ukrainische Re­gierung kritisierte die „komplett inakzeptablen“ Bemerkungen und unterstellte Budapest, es wolle die Beziehungen zwischen beiden Staaten be­wusst zerstören.

          Stephan Löwenstein
          Politischer Korrespondent mit Sitz in Wien.

          Der ungarische Außenminister Péter Szijjártó verwies, ohne auf die Worte seines Ministerpräsidenten einzugehen, auf den Tod Tausender Menschen in der Ukraine infolge des Krieges. Ganze Landesteile verödeten. Deshalb wolle Ungarn Frieden und anstelle von Waffenlieferungen eine sofortige Feuerpause, sagte er dem Portal „Index“.

          Aussage von Orbán offenbar ironisch

          Orbán hatte seine von Kiew kritisierten Äußerungen in einem Ge­spräch mit ausländischen Journalisten vergangene Woche gemacht. Zitiert wurde er in einem Artikel auf dem Portal „The American Conservative“. Laut Darstellung von Autor Rod Dreher, die gegenüber der F.A.Z. von anderen Teilnehmern bestätigt wurde, sagte Orbán, der Westen müsse verstehen, dass der russische Präsident Putin nicht ver­lieren werde, weil er es sich politisch nicht leisten könne. Er habe versucht, mit einem schnellen Sieg in der Ukraine ein ihm wohlgesonnenes Regime in Kiew zu installieren. Doch da das misslungen sei, gehe es Putin darum, aus der Ukraine ein „unregierbares Wrack“ zu machen, damit auch der Westen dort nicht Fuß fassen und die NATO nicht eine Präsenz aufbauen könne. Das, so habe Orbán ausgeführt, habe Putin in der Ukraine bereits erreicht. „Sie ist jetzt Afghanistan. Das Land von niemandem.“

          In Ungarn hat noch eine andere Aussage Orbáns aus diesem Gespräch Aufregung verursacht. Sie betrifft die Mitgliedschaft Ungarns in der Europä­ischen Union. Der Ministerpräsident und Vorsitzende der national-konservativen Partei Fidesz habe von einer zunehmenden Entfremdung zwischen den übrigen Mitgliedern im Europä­ischen Rat und ihm selbst gesprochen und auf die Themenbereiche LGBTQ, Föderalismus und Migration verwiesen. Er sei inzwischen die Rolle als Prügelknabe in Brüssel gewohnt. Auf die Frage eines Teilnehmers, ob Ungarn in der EU verbleiben solle, habe er dann geantwortet: „Definitiv nicht!“ Dann habe er hinzugefügt, dass Ungarn keine Wahl habe, da 85 Prozent seiner Ex­porte in die EU gingen.

          Oppositionelle Politiker und Medien kritisierten daraufhin, Orbán habe den Plan enthüllt, die EU zu verlassen. Die Regierung wiederum bezeichnete das als Lüge. Orbáns Haltung zur EU-Mitgliedschaft sei wohlbekannt, sagte Kommunikationsstaatssekretär Zoltán Kovács. Da gebe es keine Wahl, die Mitgliedschaft liege im nationalen In­teresse. Autor Dreher korrigierte die Formulierung in dem Artikel. Teilnehmer des Gesprächs berichten, Orbáns „Definitiv nicht“ sei eindeutig ironisch gewesen, wie auch aus dem Folgenden hervorgegangen sei. Die Episode ist insofern bemerkenswert, als sie zeigt, dass sowohl der Regierung Orbán als auch der Opposition die innenpoli­tische Brisanz des Themas „Huxit“ be­wusst ist. Die EU-Mitgliedschaft stößt trotz aller Brüssel-kritischen Kampa­gnen der Regierung in der Bevölkerung auf große Zustimmung.

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