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Türkischer Ministerpräsident : „Haben russische Munition für Syrien sichergestellt“

Bild: dapd

Nach Angaben von Ministerpräsident Erdogan hat die Türkei in dem zur Landung gezwungenen syrischen Passagierflugzeug russische Munition sichergestellt. Moskau und Damaskus reagierten empört.

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          Die Türkei hat nach Angaben von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan „militärische Ausrüstung und Munition“ in dem syrischen Passagierflugzeug sichergestellt, das auf einem Flug von Moskau nach Damaskus am Mittwoch in Ankara zur Landung gezwungen worden war. Adressat der Lieferung sei das Verteidigungsministerium in Damaskus gewesen, sagte Erdogan am Donnerstag. Die Munition stamme von einem russischen Hersteller. Das russische Außenministerium hatte die Türkei zuvor öffentlich aufgefordert, die Gründe für den Schritt zu erläutern. Moskau wies darauf hin, dass sich unter den 37 Passagieren des Zivilflugzeugs 17 russische Staatsangehörige befunden hätten.

          Michael Martens
          Korrespondent für südosteuropäische Länder mit Sitz in Wien.
          Nikolas Busse
          Verantwortlicher Redakteur für Außenpolitik.

          Bei der erzwungenen, von Kampfflugzeugen begleiteten Landung seien Menschenleben in Gefahr gebracht worden. In einer Mitteilung des türkischen Außenministeriums hieß es am Donnerstag, der Pilot sei vor dem Eindringen in den türkischen Luftraum gewarnt worden, damit er umkehren könne, habe dies jedoch unterlassen. Die syrische Regierung beschuldigte die Türkei der „Luftpiraterie“. Ihr Vorgehen widerspreche allen Regeln der zivilen Luftfahrt.

          Die Regierung in Ankara teilte dagegen mit, Syrien habe mit dem Transport militärischer Güter den türkischen Luftraum und damit diese internationalen Regeln verletzt. In dem Bemühen, die Beziehungen zu Russland nicht zu sehr zu gefährden, hob Außenminister Ahmet Davutoglu hervor, es sei unerheblich, wo das Flugzeug gestartet sei: „Die Verantwortung liegt bei dem Land, dem das Flugzeug gehört.“ Energieminister Taner Yildiz ergänzte: „Unsere Politik gegenüber Russland, Iran und Syrien mag sich unterscheiden, die Zusammenarbeit im Energiebereich ... ist aber von der Politik getrennt.“ Die Türkei ist in der Versorgung mit Öl und Gas auf Russland angewiesen. Außerdem will Ankara mit russischer Technik Atomkraftwerke in der Türkei bauen. Moskau monierte aber auch, die Türkei habe das Konsularabkommen verletzt, da sie russischen Diplomaten keinen Zugang zu den Landsleuten gewährt habe.

          Davutoglu: Nicht nur Gerüchte, auch Beweise

          Türkische Medien hatten vor Erdogans Angaben berichtetet, im Frachtraum des Flugzeugs seien „rund 300 Kilogramm“ militärische Güter entdeckt worden. Der türkische Staatssender TRT meldete ohne Quellenangabe, es sei militärische Kommunikationstechnik sichergestellt worden. Der Direktor der Fluggesellschaft „Syrian Arab Airlines“ sagte dagegen, das Flugzeug seines Unternehmens habe lediglich „zivile Pakete mit elektrischen Geräten“ transportiert. Der türkische Verkehrsminister Binali Yildirim sagte, die beschlagnahmte Fracht sei nicht zum Transport in einem zivilen Flugzeug geeignet gewesen. Nach wenigen Stunden sei die Erlaubnis zum Weiterflug nach Damaskus erteilt worden. Yildirim hob hervor, dass die Türkei im Rahmen des Völkerrechts gehandelt habe: „Der Luftraum muss für friedliche Zwecke genutzt werden. Andernfalls nutzen wir unsere Rechte nach nationalen und internationalen Gesetzen.“ Die Türkei wies türkische Flugzeuge an, syrischen Luftraum zu umfliegen.

          Außenminister Davutoglu sagte, die Türkei sei entschlossen, auch künftig „den Zufluss von Waffen zum syrischen Regime, das sein Volk gnadenlos massakriert, zu kontrollieren“. Es habe nicht nur „Gerüchte“, sondern „auch einige Beweise“ gegeben, sagte Davutoglu. Die russische Nachrichtenagentur Interfax berichtete unter Berufung auf Gewährsleute in russischen Waffenexportfirmen, es sei nicht plausibel, dass das Flugzeug Waffen an Bord gehabt habe. Russland habe die militärisch-technische Zusammenarbeit mit Syrien nicht unterbrochen und verfüge über bessere Möglichkeiten als Passagierflugzeuge, um im Bedarfsfall Waffen oder Gerät nach Syrien zu bringen.

          Der Sprecher des russischen Präsidenten Wladimir Putin wies darauf hin, dass dessen für das kommende Wochenende geplante Türkei-Besuch schon vor dem Zwischenfall abgesagt wurde. Nach einem Telefonat zwischen Putin und dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan am späten Montagabend habe festgestanden, dass der Besuch verschoben werde, weil es Terminschwierigkeiten und Unklarheiten mit Blick auf die Tagesordnung für die vorgesehene Sitzung des türkisch-russischen Kooperationsrates gegeben habe. Die Zeitung „Wjedomosti“ berichtete gleichwohl unter Berufung auf eine Quelle im Kreml, Putin habe vermeiden wollen, dass sein Besuch in der Türkei als Stärkung Ankaras im Konflikt mit Damaskus ausgelegt werden könne. Inzwischen wurde der Besuch für den 3. Dezember anberaumt.

          EU bereitet neue Sanktionen vor

          In Brüssel wurden die neuen EU-Sanktionen gegen Syrien vorbereitet, auf die sich die Mitgliedstaaten Anfang September verständigt hatten. Nun werden Einreiseverbote und Kontosperren gegen 29 weitere Personen und zwei Unternehmen verhängt, die das syrische Regime unterstützen sollen. Außerdem wird es ein Importverbot syrischer Waffen in Europa geben. Ein Exportverbot europäischer Rüstungsgüter nach Syrien besteht schon lange, ebenso wie ein Öleinfuhrverbot. Die neuen Sanktionen sollen am Montag förmlich verabschiedet werden.

          Die syrischen Regimegegner haben unterdessen nach einem Bericht der Agentur AFP fast fünf Kilometer der Autobahn zwischen der Hauptstadt Damaskus und Aleppo unter ihre Kontrolle gebracht. Damit war die Route bis zur Höhe der gegenwärtig heftig umkämpften Stadt Maaret al Numan für die syrische Armee nicht nutzbar. Bei einem Angriff auf einen Bus unweit der Grenze zum Libanon wurden nach einem Bericht des syrischen Staatsfernsehens am Donnerstag mindestens acht Personen getötet. Eine „terroristische Gruppe“ habe das Fahrzeug überfallen, mit dem syrische Arbeiter aus dem Libanon über die Grenze gekommen seien.

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