
Ankaras Verfassungsreferendum : Türkischer Wahlkampf
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Deutschtürken bei Wahlkampfveranstaltung in Oberhausen Bild: AFP
Der Kampf um die türkische Verfassungsänderung tobt mitten auf deutschem Boden. Die Auslandstürken können das Zünglein an der Waage sein. Doch es regt sich Widerstand.
Ob der türkische Präsident Tayyip Erdogan wieder einmal als Wahlkämpfer nach Deutschland kommt oder nicht: Der türkische Wahlkampf für das Referendum am 16. April findet auch ohne ihn längst in Deutschland statt. Das geschieht mit einer Intensität, die es so vor wenigen Jahren noch nicht gegeben hat. Denn erst seit 2011 sind die Auslandstürken bei Wahlen in der Türkei wahlberechtigt. Seither werden sie für innertürkische Zwecke mobilisiert – mit Hilfe von Ditib, des deutschen Ablegers der Religionsbehörde Diyanet, mit Hilfe des 2010 gegründeten Amts für Auslandstürken, das in den vergangenen Jahren massiv ausgebaut wurde, und mit Hilfe der Ableger politischer Parteien.
Es ist gut, dass zumindest im Ausland die säkulare türkische Opposition aus ihrer Schockstarre erwacht ist und Erdogans Wahlkämpfern das Feld nicht länger kampflos überlässt. Dabei zeigt sich, dass viele Türken nicht einer blinden Begeisterung für das Präsidialsystem erliegen, über das sie abzustimmen haben und das viele konstitutive Elemente einer liberalen Demokratie abschaffen würde. Je mehr sie über den Inhalt der Verfassungsänderung erfahren, desto mehr lehnen sie diese auch ab. Andererseits weiß Erdogan, dass die Auslandstürken bei einem knappen Wahlausgang das Zünglein an der Waage sein könnten, und so setzt er alle Hebel in Bewegung. Keineswegs aber ist gewiss, dass Erdogan auch in Deutschland sprechen will. Angekündigt ist lediglich ein Auftritt in Europa. Nach Deutschland leben die meisten Auslandstürken in den Niederlanden.
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Wie lange nicht sind die bilateralen Beziehungen belastet. Auf der einen Seite stehen deutsche Vorwürfe, dass türkische Einrichtungen zur Denunzierung der Gegner Erdogans aufrufen und dass türkische Politiker ungezügelt Wahlkampf auf deutschem Boden machen. Auf der anderen Seite klagen Türken, die Deutschen teilten nicht ihre Sicht, wer denn alles Terrorist sei. Eine weitere Belastung kommt nun hinzu. Denn die Zahl der türkischen Staatsbürger, die in Deutschland politisches Asyl beantragen, steigt kontinuierlich. Zu ihnen zählen auch mehrere hundert türkische Diplomaten und Nato-Soldaten. Gewährte ihnen Deutschland Schutz, würde man anerkennen, dass sie politisch verfolgt sind. Die Führung in Ankara würde das nicht tatenlos hinnehmen, und die nächste Eskalationsstufe des Konflikts mit der Türkei wäre erreicht.