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Türkei : Putschversuch ohne Rückhalt

Soldaten am Taksim-Platz in Istanbul Bild: AFP

Wer immer den Putschversuch gegen Präsident Erdogan unternommen hat, hat die Entschlossenheit der Türken unterschätzt: Sie wollen sich nicht noch einmal einer Herrschaft des Militärs unterwerfen. Ein Kommentar.

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          In der Türkei war zwar in den vergangenen Monaten immer wieder über die Möglichkeit eines Militärputsches geredet worden. Damit ernsthaft gerechnet hatte aber niemand. Schließlich hatte Recep Tayyip Erdogan, erst als Ministerpräsident und dann als Staatspräsident, das Militär entmachtet.

          Rainer Hermann
          Redakteur in der Politik.

          Auch wenn die Unzufriedenheit bei einer Hälfte der türkischen Bevölkerung über den autoritären Führungsstil und die Einschränkung der Freiheiten groß war und es weiter ist, wollte kaum jemand, dass deswegen die Panzer rollen. Wer immer diesen etwas dilettantisch wirkenden Putschversuch geplant hat: Er hat die entschlossene Weigerung der Türken unterschätzt, sich noch einmal der Herrschaft des Militärs zu unterwerfen.

          Das war bei den Militärcoups der Jahre 1960, 1971 und 1980 anders gewesen, damals hatten die meisten Türken das Einschreiten des Militärs begrüßt. Nur deshalb konnte dieses seine Mission auch durchführen. Das war auch 1997 noch der Fall, als der Sturz des Islamisten Erbakan nur durch Worte des Generalstabs ausgelöst wurde. Das reichte aber zehn Jahre später nicht mehr, als die Generäle wieder drohten, wegen mangelnder Unterstützung aus der Bevölkerung aber nicht zu handeln wagten.

          Erdogans Widersacher werden seinen Zorn spüren

          Präsident Erdogan hat diese Schwachstelle erkannt und die Türken zu mitternächtlicher Stunde auf die Straße gerufen, und viele stellten sich den Soldaten entgegen, nahmen sie sogar fest und übergaben sie der Polizei. Auch die Moscheen mobilisierten und riefen zu ungewohnter Stunde zum Gebet.

          Alles deutet zur Stunde darauf hin, dass der Aufstand eines doch kleinen Teils der Armee scheitert. Es ist leicht auszumalen, wie Erdogan danach handeln wird. Bereits nach weit kleineren Gefährdungen für seine Herrschaft – den Gezi-Protesten und der Aufdeckung einer Korruptionsaffäre im Jahr 2013 – hatte er seine Widersacher seinen Zorn spüren lassen und die Gesellschaft weiter polarisiert. Heute bietet sich ihm die Chance, die große Geschlossenheit der Gesellschaft in dieser Krise zu nutzen, um die in der Vergangenheit aufgerissenen Gräben zu überbrücken.

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