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Aktenaffäre um Trump und Biden : Gibt es in Amerika zu viele Verschlussdokumente?

Hatten Geheimdokumente zu Hause: Donald Trump und Mike Pence Bild: AP

Joe Biden, Donald Trump und Mike Pence: Innerhalb eines Jahres sind in den Vereinigten Staaten bei drei ranghohen Politikern Geheimdokumente zu Hause gefunden worden. Ist auch das System schuld?

          3 Min.

          Es seien verrückte Zeiten, spottete der amerikanische Talkmaster Jimmy Fallon in seiner Show. Dieser Tage stünde das Deo in der Drogerie in einem abgeschlossenen Schrank „während Geheimdokumente überall herumliegen“ wie Modekataloge. Es war der Tag, an dem zum dritten Mal innerhalb eines Jahres bekannt geworden war, dass bei einem ranghohen amerikanischen Politiker Verschlusssachen gefunden wurden – zu Hause. Nach dem früheren Präsidenten Donald Trump und Präsidenten Joe Biden hat es nun auch Trumps Vizepräsidenten Mike Pence getroffen. Und es hängt die Frage in der Luft: Ist auch das System schuld?

          Sofia Dreisbach
          Politische Korrespondentin für Nordamerika mit Sitz in Washington.

          Für wichtige Regierungsdokumente gibt es in den Vereinigten Staaten drei Geheimhaltungsstufen: vertraulich, geheim und streng geheim. Alle Verschlusssachen dürfen nur von Personen mit einer entsprechenden Freigabe eingesehen werden. Die Einstufung richtet sich in der Theorie danach, wie gefährlich es für die nationale Sicherheit wäre, würden die Unterlagen öffentlich.

          In der Praxis verwischt dieses Vorgehen vor allem am unteren Ende der Skala. Wird ein neues Dokument aufgesetzt, muss der Autor für eine mögliche Einstufung als Verschlusssache berücksichtigen, welche Unterlagen er dafür herangezogen hat. War eines davon „geheim“? Dann wird das Label in aller Regel weitergegeben – auch wenn das mitunter gar nicht für die übernommenen Passagen gilt.

          Werde zu viel eingestuft, berichten frühere Regierungsmitarbeiter in amerikanischen Medien, dann gebe das keine Probleme. Schwerwiegende Konsequenzen habe es aber, wenn ein potentiell gefährliches Dokument nicht zur Verschlusssache gemacht worden sei. Es wird in der Akte vermerkt, hat im schlimmsten Fall Auswirkungen auf die Sicherheitsfreigabe. Da dürfte vielen die Entscheidung leichtfallen. Wie viele Unterlagen in Amerika im Jahr zu Verschlusssachen werden, lässt sich nicht genau beziffern. Schätzungen gehen von Dutzenden Millionen aus.

          „Tsunami von Geheimdokumenten“

          Im jüngsten Jahresbericht des Aufsichtsdiensts für Informationssicherheit – angesiedelt beim Nationalarchiv und zuständig für die Überwachung der Vorgänge – von 2022 heißt es, man habe das Zählen eingestellt. Man werde besonders mit der Pandemie von dem „Tsunami elektronisch eingestufter Geheimdokumente“ überrollt. Das regelmäßige Überprüfen von Akten zur Freigabe sei dagegen beinahe zum Erliegen gekommen.

          Sind die Regeln also nicht mehr zeitgemäß? Der Aufsichtsdienst fordert schon seit einigen Jahren eine grundlegende Reform. So soll etwa die niedrigste Geheimhaltungsstufe abgeschafft werden. Amerika müsse seine „veralteten Systeme“ modernisieren; dies werde eine „Mammutaufgabe“. Im Kongress haben sich Mitglieder beider Parteien angesichts drei Aktenaffären ähnlich geäußert.

          Der republikanische Senator Marco Rubio aus Florida, stellvertretender Vorsitzender des Geheimdienstausschusses im Senat, sprach von einem „systemischen Problem“. Schließlich gehe es um zwei Regierungen zwei verschiedener Parteien, in denen ranghohe Beamte „Dokumente an Orten aufbewahrten, wo sie nicht hingehören“. Auch der Demokrat Bob Menendez aus New Jersey, der dem Auswärtigen Ausschuss im Senat vorsitzt, plädierte dafür, die Frage von Einstufungen und Freigaben „im Ganzen“ zu betrachten. Doch auch wenn der Zeitpunkt richtig scheint – eine grundlegende Reform des Systems dürfte unter Präsident Biden zumindest so lange ausgeschlossen sein, wie der Sonderermittler noch in seinem Fall tätig ist.

          Viele mit derlei Vorgängen vertraute Fachleute äußern dieser Tage, es komme immer wieder vor, dass Verschlusssachen aus Versehen mitgenommen würden. Etwa, weil sie in einen Stapel mit normalen Dokumenten gerieten. „Das passiert wesentlich häufiger, als man denkt“, sagte J. William Leonard, der Direktor des Aufsichtsdienstes im Nationalarchiv von 2002 bis 2008, jüngst dem Time-Magazin. Schuld seien der hektische Arbeitsalltag und die „Tonnen von Papier“, mit denen man jeden Tag zu tun habe. Dabei dürfen Verschlusssachen nicht mit nach Hause genommen und auch nur unter besonderen Bedingungen bewegt werden.

          Eigentlich sollten sie entweder in einem Safe lagern – und dort auch für jeden Gang zum Essen oder auf die Toilette wieder eingeschlossen werden. Oder es wird in speziell gesicherten Räumen gearbeitet, die über ein Alarmsystem verfügen und abgeschlossen werden können, wenn die Person den Raum verlässt. In der höchsten Geheimhaltungsstufe gibt es außerdem noch unterschiedliche Sicherheitsfreigaben. Der amerikanische Präsident freilich hat beinahe täglich mit Verschlusssachen zu tun, die zu großen Teilen von seinen Mitarbeitern verwaltet werden.

          Im Falle Bidens ist noch nicht bekannt, welche Art von geheimen Unterlagen aus seiner Zeit als Vizepräsident in der Obama-Regierung gefunden wurden. Bei Pence handelt es sich laut dem Sender CNN unter anderem um Dokumente, die ihn als Vize-Präsident auf Reisen vorbereiteten – und zwischen alte Reiseunterlagen geraten waren. Sie seien demnach „auf unterer Ebene“ eingestuft.

          Trumps Aktenaffäre sticht insofern heraus, dass er sich als Einziger der drei geweigert hat, die Verschlusssachen an das Nationalarchiv zu übergeben. So ein Verhalten, äußerte der frühere Aufsichtsdienst-Direktor Leonard, sei bei allen Fehlern, die passierten, höchst ungewöhnlich. Im August kam es deshalb zur Razzia des FBI in Trumps Anwesen Mar-a-Lago. Dort wurden 103 Verschlusssachen gefunden – darunter 18 mit höchster Geheimhaltungsstufe.

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