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Wer ist Alvin Bragg? : Der Trump-Ankläger

  • Aktualisiert am

Alvin Bragg, der Bezirksstaatsanwalt von Manhattan, verlässt einen Gerichtssaal, nachdem die Geschworenen die Trump Organization in allen Anklagepunkten in einem Steuerbetrugsverfahren schuldig gesprochen hatten. Bild: dpa

Alvin Bragg wuchs in Harlem auf und wurde als erster Schwarzer zum leitenden Oberstaatsanwalt von Manhattan gewählt. Seine größte Anklage macht ihn zu einem Gegenspieler Donald Trumps – und zur Zielscheibe für dessen Anhänger.

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          Alvin Bragg geht als der erste US-Staatsanwalt in die Geschichte ein, der einen ehemaligen Präsidenten anklagt. Damit dürfte es der erste schwarze Chef-Ankläger Manhattans zu internationaler Bekanntheit bringen: als Gegenspieler des früheren Präsident Donald Trump und, in der Konsequenz, Feindbild der amerikanischen Rechten.

          Die Angriffe gegen Bragg ließen dann auch nicht lange auf sich warten. Kaum war die Anklage gegen Trump in einer Schweigegeld-Affäre bekannt geworden, prasselte es Verbalattacken auf den leitenden Oberstaatsanwalt von Manhattan herab. Als „Schande“, der für Präsident Joe Biden die „Schmutzarbeit“ erledige, bezeichnete Trump den 49 Jahre alten Juristen. Parteifreunde des ehemaligen Präsidenten warfen Bragg „unamerikanisches“ Verhalten und eine Instrumentalisierung der Justiz vor, mit der er die USA „irreparabel beschädigt“ habe.

          Dass sich Bragg in dieser Rolle wiederfindet, ist nicht ohne Ironie. Nachdem er das Amt des Chefanklägers in Manhattan Anfang Januar 2022 angetreten hatte, sorgte er mit der Entscheidung für Wirbel, Trump im Zusammenhang mit dem Finanzgebaren seines Geschäftsimperiums nicht strafrechtlich zu verfolgen. Aus Wut über diese Entscheidung traten prompt die zwei für die Ermittlungen zuständigen Staatsanwälte, Mark Pomerantz und Carey Dunne, zurück.

          Vor dem Gericht in New York formiert sich immer wieder Protest – für und gegen Trump.
          Vor dem Gericht in New York formiert sich immer wieder Protest – für und gegen Trump. : Bild: AFP

          Pomerantz veröffentlichte schließlich ein Buch, in dem er Bragg als widerwillig darstellte, einen Prozess gegen den Ex-Präsidenten anzustreben. Der eher medienscheue Bragg konterte in einem seiner wenigen TV-Interviews: „Ich bringe harte Fälle, wenn sie bereit sind.“ Und der Fall von Mark Pomerantz sei eben noch nicht bereit gewesen.

          Trump bezeichnete Bragg als „Rassist“

          Diese Hürde hat die Anklage Trumps wegen Schweigegeldzahlungen an Pornodarstellerin Stormy Daniels nun genommen – was für Bragg persönlich und auch seine Mitarbeiter einen politischen Feuersturm durch die amerikanische Rechte bedeutet.

          Diese zeichnet Bragg als Demokrat, der weich gegenüber Kriminellen ist und lieber politische Gegner durch den Missbrauch seiner Macht aus dem Weg räumt, als für Ruhe und Ordnung zu sorgen. Eine indirekte Wahlkampf-Unterstützung Braggs durch den bei Konservativen verhassten US-Investor George Soros gibt zusätzliche Munition.

          Die Ermittlungen gegen Trump lassen bei Karikaturisten die Kasse klingeln.
          Die Ermittlungen gegen Trump lassen bei Karikaturisten die Kasse klingeln. : Bild: Reuters

          Trump selbst hatte Bragg bereits als „Rassist“ bezeichnet. Und der Aufruf an seine Anhänger, gegen die Anklage – und Trumps angebliche Festnahme – zu protestieren, erinnerte viele Amerikaner fatal an Trumps Widerstandsrhetorik direkt vor der Erstürmung des Kapitols am 6. Januar 2021.

          Während die Sicherheitsvorkehrungen rund um das Gerichtsgebäude in Manhattan schon erhöht wurden, schwor Bragg seine Kolleginnen und Kollegen auf turbulente Wochen und Monate ein. In einem in US-Medien zitierten Brief an die Belegschaft versprach er, dass allen Drohungen gegen die Staatsanwaltschaft nachgegangen werde: „Wir tolerieren keine Versuche, unser Büro einzuschüchtern oder die Rechtsstaatlichkeit in New York zu bedrohen.“

          Dabei gilt der 49-Jährige trotz seiner Zugehörigkeit zur demokratischen Partei als nicht übermäßig interessiert an politischen Ränkespielen. Bragg hat für sich stets in Anspruch genommen, auf Grundlage juristischer Erwägungen Entscheidungen zu treffen, und nicht aus politischem Kalkül. „In der Sekunde, in der wir denken, wir seien Politiker, sind wir richtig falsch abgebogen“, sagte er wenige Monate nach Amtsantritt der „New York Times“.

          Politisch brisante Ermittlungen

          Aber natürlich hat das Amt auch eine politische Dimension. Oberstaatsanwälte wie Bragg werden in den USA gewählt, und der 49-Jährige gehört der Demokratischen Partei an. Staatsanwälte haben auch einen großen Ermessensspielraum, welche Fälle sie zur Anklage bringen und welche nicht. Und ohne jede Frage sind Ermittlungen gegen einen Ex-Staatschef und Präsidentschaftsbewerber politisch höchst brisant.

          Die Republikaner verweisen immer wieder darauf, dass nicht nur Braggs Vorgänger Vance die Schweigegeld-Vorwürfe gegen Trump nicht weiterverfolgt hatte, sondern auch die Bundesstaatsanwaltschaft und die US-Wahlkommission. Das an sich bedeutet zwar nicht, dass die Vorwürfe gegen Trump nicht stichhaltig sein können. Doch auch einige Rechtsexperten fragen sich, ob Bragg einen Prozess gegen Trump in dem juristisch komplexen Fall gewinnen kann.

          Bragg war im Herbst 2021 als erster Schwarzer zum leitenden Oberstaatsanwalt von Manhattan gewählt worden. Der aus dem New Yorker Stadtteil Harlem stammende Absolvent der Eliteuniversität Harvard kann auf eine lange Karriere als Staatsanwalt zurückblicken. Er arbeitete unter anderem bei der Bundesstaatsanwaltschaft in New York und bei der Generalstaatsanwaltschaft des Bundesstaates New York.

          Im Wahlkampf für den Spitzenposten in Manhattan warb er unter anderem dafür, bei kleineren Straftaten den Schwerpunkt auf Resozialisierung zu setzen und weniger Menschen ins Gefängnis zu schicken. Das machte ihn zur Zielscheibe der Republikaner, die den Demokraten grundsätzlich Schwäche im Kampf gegen Kriminalität vorwerfen.

          Bragg erlebte Kriminalität am eigenen Leib: „Bevor ich 21 Jahre alt war, wurde sechsmal eine Waffe auf mich gerichtet: dreimal von Polizisten und dreimal von Leuten, die keine Polizisten waren. Ich hatte ein Messer an meinem Hals, eine halbautomatische Waffe an meinem Kopf und ein Mordopfer vor meiner Haustür.“

          Das schrieb der Familienvater zwei Tage nach Antritt als Bezirksstaatsanwalt im Januar 2022 an seine Mitarbeitenden. Der Harvard-Absolvent leitete mit dem Memo nach einer knapp gewonnenen Wahl seine neue Agenda ein, die ihm viel interne Kritik und Widerstand der Polizei einbrachte: die Anweisung, mehr Ressourcen auf die Verfolgung schwerer Gewaltverbrechen und weniger auf Vergehen im Zusammenhang mit Drogen oder Prostitution zu verwenden.

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