Gewalt in Myanmar : Zwei Tote nach Schüssen auf Demonstranten
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Proteste in Yangon am Samstag. Bild: Reuters
In Myanmars zweitgrößter Stadt Mandalay eröffnen die Sicherheitskräfte das Feuer auf streikende Arbeiter und andere Demonstranten, die sich gegen den Putsch des Militärs wenden. Die Generäle haben es offenbar auf die Bewegung des zivilen Ungehorsams abgesehen.
Myanmars Generäle setzen zunehmend Waffengewalt ein, um die Proteste gegen ihren Putsch in den Griff zu bekommen und Streikende zurück zur Arbeit zu zwingen. Nach Schüssen auf Demonstranten sind am Samstag in Myanmar zwei Menschen an ihren Verletzungen gestorben, etwa 30 Personen wurden verletzt. Den Berichten der lokalen Presse zufolge hatte die Polizei in Myanmars zweitgrößter Stadt Mandalay versucht, die Demonstranten mit scharfer Munition zum Rückzug zu zwingen. Auf Videoaufnahmen sind diverse Schüsse zu hören. Fotos vom Ort der Zusammenstöße zeigen Menschen mit blutigen Wunden an Beinen, Armen und Köpfen. Unklar war, ob diese von Gummigeschossen oder scharfer Munition stammten.

Politischer Korrespondent für Südostasien.
Nach Angaben der Rettungskräfte war ein Mann noch am Ort der Auseinandersetzung seinen Verletzungen am Kopf erlegen. Ein anderer Mann sei später an den Folgen einer Schusswunde in seiner Brust gestorben. Am Freitag war schon eine 20 Jahre alte Frau, die zehn Tage zuvor am Kopf getroffen worden war, im Krankenhaus gestorben. Indem sie die Gewehrläufe gegen das eigene Volk richten, zeigen die Generäle, dass sie sich in den vergangenen zehn Jahren wirtschaftlicher und politischer Öffnung nicht geändert haben. Sie scheinen nun einem ähnlichen Muster zu folgen, das sie schon bei der blutigen Niederschlagung der Demokratieproteste der Jahre 1988 und 2007 angewandt hatten.
Neben scharfer Munition setzen die Sicherheitskräfte Gummigeschosse, Wasserwerfer und Tränengas gegen Demonstranten ein. Sie verbreiten außerdem ein Klima der Angst. 546 Politiker und Aktivisten sind mittlerweile festgenommen worden, viele davon in nächtlichen Razzien. Die Staatsrätin Aung San Suu Kyi wird seit ihrer Entmachtung am 1. Februar in ihrem Haus in der Hauptstadt Naypyidaw gefangen gehalten. Bezeichnend ist, dass das Militär die Eskalation in Städten wie Mandalay und kleineren Orten vorantreibt und nicht in der größten Stadt Yangon, in der die meisten Medienhäuser ihren Sitz haben und in der vor allem die digital vernetzte Jugend auf die Straße geht.
Doch viel mehr als um diese junge Protestbewegung machen sich die Generäle offenbar um die Bewegung des zivilen Ungehorsams sorgen, der sich in den vergangenen zwei bis drei Wochen immer mehr Arbeiter, Angestellte und Staatsbedienstete angeschlossen haben. Auch in anderen Orten hatten die Menschen am Samstag wieder protestiert. In Yangon und in Naypyidaw trafen sich junge Menschen zu Trauerzeremonien für die am Freitag verstorbene Frau mit dem Namen Mya Thwate Thwate Khaing. Eine improvisierte Gedenkstätte wurde errichtet. Auch in der Stadt Myitkyina im Norden hatte es wieder Konfrontationen zwischen Tausenden Demonstranten und der Polizei gegeben.
Bei den Demonstranten am Samstag in Mandalay handelte es sich aber überwiegend um Mitarbeiter der Yadanarpon-Schiffswerft an Myanmars größtem Fluss Irrawaddy, die zuvor aus Solidarität mit den Protesten in den Streik getreten waren. Wie die lokale Presse berichtete, war es zu Auseinandersetzungen gekommen, als die Polizei am Morgen mit Dutzenden Truppentransportern an der Werft angerückt war, um die Streikenden zur Wiederaufnahme ihrer Arbeit zu zwingen. „Sie begannen auf einmal, die Leute zu schlagen und festzunehmen. Sie haben auch Motorräder zerstört. Als die Leute versuchten, sich zu wehren, haben sie zu schießen angefangen”, sagte ein Anwohner dem Online-Magazin „The Irrawaddy“.
Erst Gummigeschosse, dann scharfe Munition?
Die Anwohner sollen versucht haben, die Polizei am Vordringen zu der Werft zu hindern. Danach hatten sich die Werftarbeiter und die Polizei stundenlang gegenüber gestanden. Die Polizei habe zunächst mit Gummigeschossen auf die Demonstranten geschossen. Offenbar wurden auch Steinschleudern eingesetzt. Eine Frau war dabei schon am Kopf verletzt worden. Erst später griff die Polizei dann offenbar zu scharfer Munition.
Die harte Reaktion mag damit zusammenhängen, dass die Generäle auf die an der Bewegung beteiligten Berufsgruppen angewiesen sind, um das Land am Laufen zu halten. So hatte sich der Putschgeneral und neue Machthaber Min Aung Hlaing vor einer Woche direkt an die Staatsbediensteten gewandt und sie aufgerufen, unverzüglich an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Vor ein paar Tagen waren die Sicherheitskräfte in Mandalay schon auf ähnliche Weise gegen Arbeiter der staatlichen Eisenbahn vorgegangen, die sich ebenfalls der Bewegung des zivilen Ungehorsams angeschlossen hatten.
Die Bevölkerung steht nicht hinter dem Militär
Der Widerstand von Ärzten, Lehrern und sogar Mitarbeitern von Ministerien zeigt auch, dass die Behauptung des Militärs, ein Großteil der Bevölkerung stehe hinter ihnen, nicht der Wahrheit entspricht. Immer wieder beteuern sie, dass es sich um eine legale Machtergreifung im Einklang mit der Verfassung gehandelt habe. Sie stellen sich als Bewahrer der Demokratie dar und begründen ihren Putsch mit vermeintlichem Wahlbetrug durch die mittlerweile abgesetzte Zivilregierung. Doch mit der Anwendung von brachialer Gewalt gegen das Volk widersprechen die Militärs ihren eigenen Beteuerungen.
Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell verurteilte das Vorgehen des Militärs und der Sicherheitskräfte und forderte sie auf, die Gewalt gegen Zivilisten sofort einzustellen. Nach Angaben des Spaniers wird am Montag der Rat der EU-Außenminister die jüngsten Entwicklungen in Myanmar diskutieren, um dann „angemessene Entscheidungen“ treffen zu können. Sie könnten nach Angaben von Diplomaten zum Beispiel neue EU-Sanktionen gegen die Militärs in dem Land umfassen.