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Thierry Breton : Ein Mann der Praxis

Der Glanz des Vorgängers verblaßt: Breton  (r.) rückt in den Vordergrund

Der Glanz des Vorgängers verblaßt: Breton (r.) rückt in den Vordergrund Bild: Reuters

Er wurde schon einmal gefragt - und lehnte ab. Doch an diesem Montag hat Thierry Breton, Chef der France Telecom, die Leitung des Finanz- und Wirtschaftsministeriums übernommen.

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          Nach der Erfahrung mit zwei Politikern an der Spitze des Finanz- und Wirtschaftsministeriums vertraut der französische Präsident Chirac das Ressort wieder einem Mann der Praxis an: Thierry Breton hat als Unternehmenschef die Sanierung von France Telecom begonnen. Vor seinen Vorgängern Nicolas Sarkozy und Herve Gaymard hat der Stahlboss Francis Mer das Superministerium geführt.

          Michaela Wiegel
          Politische Korrespondentin mit Sitz in Paris.

          Die rasche Regierungsumbildung soll den Franzosen vor allem signalisieren, daß Chirac die Lage beherrscht, die sich nicht erst seit der Dienstwohnungsaffäre Gaymards turbulent und spannungsgeladen gestaltete. Die Regierung Raffarin, die sich von den Wahlniederlagen im vergangenen Jahr nicht erholt hat, führte ihre Schwäche zuletzt bei den Schülerprotesten vor, und zwang Erziehungsminister Fillon noch vor der parlamentarischen Debatte des Reformgesetzes zur Teilkapitulation.

          Weniger Gehalt

          Chirac will rechtzeitig vor dem EU-Verfassungsreferendum die Regierungsmannschaft wieder auf Kurs bringen. Thierry Breton war schon sein Wunschkandidat nach dem erzwungenen Rücktritt von Nicolas Sarkozy Anfang Dezember 2004. Damals lehnte Breton ab, weil er sich als Präsident und Generaldirektor (PDG) von France Telecom zur Fortführung seines Sanierungsplans verpflichtet fühlte, mit dem die Schuldenlast des Telekommunikationsunternehmens binnen zwei Jahren von 70 auf 43,5 Milliarden Euro gesenkt worden war.

          Thierry Breton
          Thierry Breton : Bild: AP

          Breton war im Oktober 2002 bei France Telecom angetreten. Zu seiner Ablehnung im Dezember verlautete damals, daß Bretons Steuerschuld als Unternehmenschef sein jährliches Ministergehalt übersteige. „Le Monde“ schrieb, Breton verdiene derzeit mehr als 900.000 Euro im Jahr, als Wirtschafts- und Finanzminister kommt er auf 140.000 Euro.

          Der Respekt der politischen Klasse

          Der 50 Jahre alte Breton wurde in Paris geboren und hat eine Ingenieursausbildung an der „Ecole superieure d'electricite“ absolviert. Er unterrichtete zunächst Mathematik am Lycee Franais in New York City. Früh fand er von dort in die Politik, zunächst als Berater des Bildungsministers Rene Monory (später Senatspräsident) von 1986 bis 1988. Monory holte Breton in den Regionalrat seiner Heimatregion Poitou-Charentes, was sein gutes Verhältnis zu Premierminister Jean-Pierre Raffarin begründet, einem weiteren Regionalnotablen. Breton leitete das von Monory gewollte Projekt eines Technologie-Freizeitparks „Futuroscope“ bei Poitiers, der zunächst große Erfolge feierte, jetzt aber unter Besuchermangel leidet.

          1993 wurde Breton an die Spitze des maroden staatlichen Informatikunternehmens Bull berufen. Bis 1997 versuchte er vergeblich, das die Steuergelder verschlingene Unternehmen zu sanieren. Als Sanierer trat er 1997 auch bei Thomson an, wo er mehr Erfolg hatte. Er brachte das Staatsunternehmen auf Vordermann, dem Premierminister Juppe 1996 einen Wert von „einem Franc“ bescheinigt hatte. Die Privatisierung von Thomson Multimedia zählt dabei zu seinen Meisterstücken, die ihm den Respekt der politischen Klasse sicherte.

          Als Ingenieur hatte er im von den Absolventen der Kaderschmieden und Eliteschulen dominierten politischen Zirkeln als Außenseiter gegolten. Seine Ideenvielfalt und seine Freude am Austausch begeisterten auch Chirac. Breton tritt in einer schwierigen Situation sein Amt an. Der von Sarkozy verbreitete Optimismus ist verflogen; die Zahl der Arbeitslosen ist zum ersten Mal seit fünf Jahren wieder über zehn Prozent gestiegen, und die Dienstwohnungsaffäre Gaymards hinterläßt den schalen Nachgeschmack, daß der Staat kein guter Haushalter ist.

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